Obdachlose in Wohnungen

Zur morgen stattfindenden Sitzung des Rats der Stadt Köln hat die Oberbürgermeisterin eine Beschlussvorlage eingereicht: „Zusätzliche Hilfen für obdachlose Menschen – Förderprogramm „Weiterentwicklung der Kölner Hilfen für Menschen im Kontext Obdachlosigkeit“ https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=859998&type=do

Dirk Riße berichtet davon im Stadt-Anzeiger unter dem Titel:

„Armut in Köln. Stadt will Obdachlosenprojekte mit einer Million Euro fördern“

https://www.ksta.de/koeln/armut-in-koeln-stadt-will-obdachlosenprojekte-mit-einer-million-euro-foerdern-39430026

Hat Dirk Riße erkannt, dass es der Stadt Köln in erster Linie darauf ankommt Obdachlosenprojekte zu fördern, statt die Obdachlosigkeit zu beenden?

Immerhin ist das „Gestaltungsbündnis“ in der Sitzung des Sozialausschuss am 13.1.2022 unter Punkt 3 zur Einzelunterbringung der Obdachlosen zurückgekehrt, wie es schon vor einem Jahr am 14.1.2021 einstimmig beschlossen worden war:
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=857632&type=do&

Aber davon ist in der Beschlussvorlage für die morgige Ratssitzung nicht mehr die Rede.

Da geht es nur, wie Dirk Riße erkannt hat, um die Obdachlosenprojekte. Ohne dass es in der Stadt um den bisherigen Umgang mit Obdachlosen eine öffentliche Auseinandersetzung gibt. Ohne dass der Missbrauch thematisiert wird, obdachlose Menschen in Mehrbett-Zimmern bei ausgehängten Türen unterzubringen und sie morgens um 8 wieder auf die Straße zu schicken. An diejenigen, die das bisher verantworten konnten, soll ohne jede Selbstkritik eine Million für Projekte verteilt werden?

Für Flüchtlinge hat der Rat die Abschaffung der Sammelunterkünfte beschlossen und die Unterbringung der Flüchtlinge in richtigen Wohnungen mit normalen Mietverhältnissen.

Warum kann der Rat das nicht für die Obdachlosen beschließen, wo er doch Housing First als ein menschenwürdigeres Konzept als die bisherige Praxis schon anerkannt hat?

Die Obdachlosen wurden mit Johnson&Johnson geimpft, weil der Impfstoff so gut sein sollte, dass es genügte, damit nur einmal zu impfen. Jetzt hat sich herausgestellt, dass er nicht viel taugt und die mit Johnson&Johnson geimpften gelten als ungeimpft. Da ist es doch doppelt angezeigt, die Einzelunterbringung aller Obdachlosen zu beschließen und umzusetzen.

Wir stehen dafür morgen um 14:30 Uhr vor dem Gürzenich und wiederholen: wenn der Rat nicht handelt, handeln wir.

Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

2. Februar 2022
Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung

27.Januar 1945 Befreiung von Auschwitz

27. Januar 1945 Befreiung von Ausschwitz durch die Rote Armee

Am Schluss seines Vortrags „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ sagte Adorno 1959: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt werden. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“

„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ — Max Horkheimer: Die Juden und Europa. In: Studies in Philosophy and Social Science, Band 8. The Institute of social research, New York 1939, S. 115.

Wer die Nazis in der Weimarer Republik finanziert hat, davon gab es 1945 ein Bewusstsein. Die SPD forderte am 15. Juni 1945 im Aufruf zum Neuaufbau ihrer Partei u.a.: „Verstaatlichung der Banken, Versicherungsunternehmen und der Bodenschätze, Verstaatlichung der Bergwerke und der Energiewirtschaft. Erfassung des Großgrundbesitzes und der lebensfähigen Großindustrie und aller Kriegsgewinne für die Zwecke des Wiederaufbaus. Beseitigung des arbeitslosen Einkommens aus Grund und Boden und Miethäusern.“ (Gebhard Diemer: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Auf dem Wege zur Republik 1945-1947, Schöningh, 1979, S. 170)

17. Juli – 2. August 1945 Potsdamer Abkommen
Der antifaschistisch-demokratische Neubeginn sollte sich an den „großen D’s“ orientieren: Demokratisierung, Demilitarisierung, Demonopolisierung, Denazifizierung, Dezentralisierung.
Bei den Festlegungen der Grundsätze zur Behandlung Deutschlands wurden Kriterien für eine antifaschistische und friedliche Perspektive dieses Landes formuliert, wie z.B. Forderungen nach Auflösung hegemonialer Wirtschaftsstrukturen, Forderungen nach wirklicher demokratischer Partizipation, Entmilitarisierung u.a., die bis heute visionären Charakter besitzen.
https://dasjahr1945.de/das-potsdamer-abkommen/

OMGUS – OFFICE MILITARY GOVERNMENT FOR GERMANY; UNITED STATESFINANCE DIVISION – FINANCIAL INVESTIGATION SECTION Militärregierung der Vereinigten Staaten für Deutschland  Finanzabteilung – Sektion für finanzielle Nachforschungen

Ermittlungen gegen die Deutsche Bank 1946/1947

KAPITEL I          

Empfehlungen

Es wird empfohlen, daß:

1. die Deutsche Bank liquidiert wird,

2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden,

3, die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden.(1)
http://www.glasnost.de/hist/ns/omgus1.html

12. März 1947
Die Truman-Doktrin bedeutete das Ende der amerikanischen Kriegskoalition mit der Sowjetunion und markiert den Beginn des Kalten Krieges. Mit ihr beginnt das finanzielle Engagement der USA in der Containment-Politik.
https://de.wikipedia.org/wiki/Truman-Doktrin

Herzlichen Glückwunsch, Angela Davis


(* 26. Januar 1944 in Birmingham, Alabama)

https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Davis

In den vergangenen Jahren haben wir in der Bundesrepublik aus den USA viel von „Black Lives matter“ und  „Occupy Wall Street“ gehört. Ignoriert wird  die Prison Abolition-Bewegung.

1975 hatten die USA „nur“  370.000 Gefangene. Heute sind es weit über zwei Millionen. Die Weißen sind in den Gefängnissen in der Minderheit.

Angela Davis, die 1972 als „Staatsfeind Nr. 1“ selbst in Haft kam,  hat das zum Schwerpunkt ihrer Arbeit in den letzten Jahrzehnten gemacht:

Angela Davis: The Prison-Industrial-Complex AK Press, Oakland, Edinburgh, San Francisco, 1997

Angela Davis: Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse? Der gefängnisindustrielle Komplex der USA. Schwarzerfreitag 2004

Wer in Youtube ihren Namen und/oder Prison Abolition eingibt, bekommt eine Vorstellung von dieser Auseinandersetzung gegen das Gefängnissystem.

Angela Davis im Interview mit arte mit deutschen Untertiteln (2013)
Rassismus, Gefängnis und Protest-Bewegungen (2013)https://www.youtube.com/watch?v=Tcy_vX7Smnk

Angela Davis: Slavery and the Prison Industrial Complex  2011
https://www.youtube.com/watch?v=yQ2cC7LHMxA


Angela Davis Vortrag an der Univeristät Wien am 12.10.2015
https://www.youtube.com/watch?v=XTsGpUM357I

Angela Davis über Revolution today am 20.4.2020 in Barcelona
https://www.youtube.com/watch?v=PGic6xd-BVQ

Das Netzwerk Abolutionismus in der Bundesrepublik kann man hier kennenlernen: https://strafvollzugsarchiv.de/abolitionismus

26.Januar 2022
Klaus Jünschke

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit

Vor 20 Jahren hat das Arbeitslosenzentrum KALZ die Überlebensstation Gulliver am Hauptbahnhof eröffnet.
https://www.koelnerarbeitslosenzentrum.de/kalz-e-v/gulliver/unser-engagement/ueberlebensstation-fuer-obdachlose/

Heute berichtet Dirk Riße im Stadt-Anzeiger, dass endlich auch auf der anderen Rheinseite ein provisorisches „Gulliver II“ eröffnet wird. Das hat nicht 20 Jahre gedauert, sondern nur wenige Wochen von der Entscheidung, so eine Überlebensstation zu errichten, bis zum Aufstellen der Container. Dafür ist der Arche e.V. und der AG Arsch Huh zu danken.

Was Obdachlose angeht, hat man die Stadtverwaltung noch nie so engagiert erlebt. Dass sie es hätte machen können, hat sie 2015 bewiesen, als die Flüchtlinge kamen.

Morgen findet nun der zweite workshop zur Obdachlosigkeit statt, zu dem Stadtdirektorin Blome eingeladen hat.  Vordergründig ein Ergebnis des Drängens Kölner Geschäftsleute und Bürgervereine, die mit der Tatenlosigkeit der Stadtverwaltung immer unzufriedener geworden waren. Aber letztlich waren es die Drogenkranken und Obdachlosen selbst, die das mit ihrem bewußtlosen Protest der Stadtgesellschaft Beine gemacht haben, weil sie, im Lockdown alleingelassen, ohne öffentliche Toiletten, ihre Notdurft auf Straßen und Plätzen verrichten mußten.

Wie auf dem facebook-Auftritt des Bürgervereins Eigelstein nachgelesen werden kann, haben die Bürgervereine in Wochen schneller gelernt, als Grüne, CDU und Volt – die sich „Gestaltungsbündnis“ nennen – in den letzten Jahren zusammen. Sie fordern u.a.:

1) Einrichtung einer dezernatsübergreifenden Task Force „Obdachlosigkeit“ zur Bündelung der Arbeit der beteiligten Ämter. Sie soll bei der Oberbürgermeisterin oder der Stadtdirektorin angesiedelt sein. In dieser Task Force sollten auch Polizei, KVB, ehemalige Wohnungslose sowie Vertreter der sozialen Träger und des Bündnisses Innenstadt vertreten sein.

2) Konsequente Umsetzung des bereits am 6.2.2020 vom Rat beschlossenen Konzepts „Housing First“ in Kooperation mit der GAG, den Trägern der Wohnungslosenhilfe sowie dem LVR. Es muss zum Leitmotiv der Wohnungslosenpolitik dieses Jahrzehnts werden. Dazu muss auch der Bestand an stadteigenen Wohnungen erhöht werden.

3) Mehr aufsuchende Sozialarbeit unter Einsatz von Dolmetschern sowie mehr Notschlafstellen mit Betreuern und Aufsichtspersonal.

4) Ausweitung der ganztägigen Unterbringungsmöglichkeiten für Wohnungslose, Obdachlose und Drogenabhängige mit Tagesschlafstätten, Beschäftigungsangeboten und adäquater Betreuung und Aufsicht.
https://www.facebook.com/eigelsteinveedel

Dass der Stadtspitze weiterhin nicht zu trauen ist, hat sie am Montag bekannt gemacht, als Oberbürgermeisterin Reker und Stadtdirektorin Blome mit ihren Dezernentinnen ihr Arbeitsprogramm 2022 vorstellten.
https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf13/presse/2022/jahresarbeitsprogramm_2022_-_finale_fassung.pdf

Zwar wird auf Seite 25 zum Stichwort „Wohnungslose Menschen“ bekannt, dass ein Masterplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit beschlossen werden soll.  Aber auf Seite 5 war zu lesen, dass die Verwaltung auch 2022 nur „mindestens 1.000 miet- und preisgebundene Wohnungen zu fördern“ gedenkt. Dabei haben Kölner Mieterverein und SPD und Linke schon im letzten Jahr vorgerechnet, dass mit 1.000 Sozialwohnungen im Jahr der Schwund von Sozialwohnungen in Köln, die aus der Bindung fallen,  nicht aufzuhalten ist. Kölns Stadtverwaltung ist nicht ernsthaft entschlossen Köln zu einer Stadt ohne Obdachlosigkeit zu machen.

26. Januar 2022
Klaus Jünschke

Smarte Transparenz

In der Bündnisvereinbarung von Grünen, CDU und Volt für die aktuelle Wahlperiode steht in der Präambel in Zeile 134:

„Wir verpflichten uns der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen im Rat der Stadt Köln.“
https://www.gruenekoeln.de/fileadmin/user_upload/Ratsfraktion/Rat_2020-2025/B%C3%BCndnisvertrag21-25/210308_B%C3%BCndnisvertrag_GR%C3%9CNE_CDU_VOLT.pdf

Im Internet-Lexikon Wikipedia steht am Beginn des Artikels zur Transparenz: „Transparenz ist in der Politik und im politischen Diskurs eine Forderung bzw. ein für erstrebenswert gehaltener Zustand frei zugänglicher Informationen und stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse. Damit verbunden die Vorstellung einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems (bzw. von Verwaltung) und den Bürgern und einer vermehrten Partizipation. In eine ähnliche Richtung zielen die Begriffe Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Transparenz_(Politik)

Der aktuelle Kommentar  von Tim Attenberger im Kölner Stadt-Anzeiger trägt die Überschrift „Es braucht Transparenz bei der Besetzung von Spitzenposten in Köln“ https://www.ksta.de/koeln/kommentar-es-braucht-transparenz-bei-der-besetzung-von-spitzenposten-in-koeln-39403322

Warum die Kölner Politik daran erinnert werden muss, berichtete die Kölnische Rundschau:

„Das langwierige Verfahren zur Besetzung des neuen Dezernats IX „Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionale Zusammenarbeit“ soll in Kürze zum Abschluss kommen. Nach Rundschau-Informationen hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Freitag die Fraktionen informiert, dass sie dem Stadtrat voraussichtlich zur nächsten Sitzung am 3. Februar einen Vorschlag für die oder den neuen Beigeordneten unterbreiten wird. Das ist in zwölf Tagen. Dem Vernehmen nach beginnen die Auswahlgespräche nun unmittelbar, und zwar ohne Beteiligung der Politik.“
https://www.rundschau-online.de/region/koeln/neuer-wirtschaftsdezernent-ob-fuehrt-auswahlgespraeche-ohne-politiker-39400910


Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat heute präsentiert, wie ihre Verwaltung die Stadt im laufenden Jahr verändern will und wie hoch sie wieder einmal hinaus will.

„Es sei ihr Ziel, Köln zur ‚smartesten Stadt der Bundesrepublik‘ zu machen, sagte Reker. https://www.ksta.de/koeln/klima-und-bildung-so-wollen-reker-und-die-dezernenten-koeln-2022-umkrempeln-39405768

Auch hier hilft Wikipedia zum besseren Verständnis:
„Smart City ist ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Diese Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen. Der Begriff findet auch im Stadtmarketing und bei großen Technologiekonzernen Verwendung.“

Wikipedia referiert auch ausführlich die Kritik an diesem technologischen Konzept von Stadtentwicklung. https://de.wikipedia.org/wiki/Smart_City

Wir wollen eine soziale Stadt und halten an unseren Forderungen fest:
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

24. Januar 2022
Klaus Jünschke


Feindbild Dealer

Die Tage war auch im Kölner Stadt-Anzeiger ein Interview mit dem neuen Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, zu lesen. Die neue Bundesregierung wird danach nicht nur Cannabis entkriminalisieren, sondern auch im Umgang mit den harten Drogen Heroin und Kokain Konsequenzen aus dem gescheiterten „war on drugs“ ziehen.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland fragte: Sie haben auch bei Heroin, Kokain und anderen illegalen Drogen für einen Richtungswechsel plädiert. Wie soll der aussehen?

Burkhard Lienert: Wir dürfen die Suchtkranken nicht mit ihren Problemen allein lassen. Hier möchte ich, dass nicht Repression, sondern Schutz und Hilfe für die Abhängigen im Vordergrund stehen. Das Strafrecht ist doch kein Medikament und keine Therapie.
https://www.rnd.de/…/wann-ist-cannabis-legal

Davon völlig unbeeindruckt lautet die Schlagzeile heute im Kölner Stadt-Anzeiger: „Die Dealer sind schon wieder am Neumarkt“.
https://www.ksta.de/…/drogenszene-in-koeln-die-dealer

Detlev Schmalenberg und Tim Stinauer bieten einen stumpfsinnigen law-and-order Journalismus, der nicht die Verantwortlichen für die bisherige repressive Drogenpolitik und ihre Folgen kritisiert, sondern die Kleindealer anprangert, die fast alle selbst süchtig sind.

Allein in Köln sind in den vergangenen 20 Jahren Jahr für Jahr um die 50 Drogenkranke an den Folgen der repressiven Drogenpolitik gestorben – über 1000 Menschen. Kein Wort davon im Stadt-Anzeiger.  Niemand fragt in der Stadt, wer für die Drogentoten verantwortlich ist.

Nachdem mehrere  Polizeipräsidenten schon in den 1990er Jahren öffentlich erklärt haben, dass dieses Problem polizeilich nicht zu lösen ist, hat der Bundestag 2009 endlich Heroin als Medikament zugelassen. In Köln werden hinter dem Gesundheitsamt ca 70 Süchtige damit behandelt. Die Journalisten des Stadt-Anzeiger fragen nicht, warum das den Süchtigen auf dem Platz vor dem Gesundheitsamt vorenthalten wird, und sie statt dessen auf ihre Dealer angewiesen sind, die nur mehr oder weniger verunreinigtes Heroin anzubieten haben.

Der grüne Bezirksbürgermeister Andreas Hupke hat schon 2014 Coffee Shops für die Kölner Innenstadt gefordert. Mit der neuen Bundesregierung werden sie jetzt kommen. Wird es damit legale Arbeitsplätze für die bisher illegal arbeitenden Dealer geben?

Die Herausgeber des Stadt-Anzeigers sollten ihren law-and-order-Schreibern Abrüstung empfehlen und sie verpflichten sich bei den seit Jahren für eine vernünftige Drogenpolitik engagierenden Expertinnen und Praktikerinnen fortzubilden:
https://schildower-kreis.de/    und https://www.akzept.org/

21. Januar 2022

Klaus Jünschke

Zweierlei Maß

Pandemiebedingt hat der Sozialausschuss des Rates der Stadt Köln am  14.1.2021 die Unterbringung der Obdachlosen in abschließbaren Einzelzimmern einstimmig beschlossen. Am 4.2.2021 hat der Rat das übernommen.
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=801287&type=do&

Obwohl die Inzidenzwerte weit höher lagen als im Januar, hat am 14.12.2021  das sogenannte „Gestaltungsbündnis“ aus Grünen, CDU und Volt es in der Ratssitzung abgelehnt über die Einzelunterbringung der Obdachlosen zu entscheiden und die Anträge von FDP, SPD und Linken auf den heute tagenden Sozialausschuss verwiesen.
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=857398&type=do

Während der kleine Verein „Helping Hands Cologne e.V.“, wie im vergangenen Winter, wieder die Jugendherberge am Hauptbahnhof für die Unterbringung von 34 obdachlosen Frauen und Männern in abschließbaren Einzelzimmern angemietet hat, war bekannt geworden, dass die Stadt Köln ihr Winterhilfeprogramm gekürzt hat: das Wärmezelt am Stollwerck und den Shuttle-Bus zur Notunterkunft in die Ostmerheimer Str. 220 sollte es nicht mehr geben.

Am 23.12.2021 hat die Stadt eine Wärmestube für 23 Obdachlose  Am Pantaleonsberg 12, 50676 Köln eröffnet. Sie war im Dezember täglich von 10 bis 15 Uhr geöffnet und ab Januar 2022 dann täglich in der Zeit von 8 bis 18 Uhr.
https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/winterhilfe-der-stadt-koeln-1

Wohin die aufgewärmten Obdachlosen um 15 Uhr bzw seit dem 1.1.2022 um 18 Uhr gehen, wenn sie die Wärmestube verlassen müssen, wurde weder in der Erklärung von Sozialdezernent Rau noch in der Presseerklärung der Grünen mitgeteilt.

Ohne jedes Schamgefühl hat Herr Rudolph, der wohnungspolitische Sprecher der Grünen, am 23.12.2021 mitteilen lassen:

 „In der kalten Jahreszeit brauchen wir dringender denn je Mitmenschlichkeit für obdachlose Menschen. Ich freue mich, dass nun ein weiteres Wärmeangebot von der Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit sozialen Trägern geschaffen wurde, zudem ein Raum, der gut erreichbar in der Innenstadt liegt.“
 https://www.gruenekoeln.de/ratsfraktion/archiv-pressemitteilungen/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=4169&cHash=53bd170d76a709cb3aa7e946ccc9a070

Die Grünen können auch anders.

In einem Dringlichkeitsantrag wurde gefordert, dass die  Verwaltung für würdevolle Unterbringung geflüchteter Menschen sorgen muss.
Während die Obdachlosen in Mehrbettzimmern mit ausgehängten Türen untergebracht werden, möchte das von den Grünen geführte „Gestaltungsbündnis“ ihren Beschluss vom Februar 2021 zur Auflösung aller Gemeinschaftsunterkünfte in Köln und zur Steigerung der Zahl von Einzelunterkünften für Menschen auf der Flucht bekräftigen.

 Dazu sagt Dîlan Yazicioglu, Migrationspolitische Sprecherin der GRÜNEN im Kölner Rat:

„Eine würdevolle Unterbringung in Einzelunterkünften muss das Mindestmaß sein. Die Stadtverwaltung muss alles dafür tun, um die unselige Gemeinschaftsunterbringung wie in der Herkulesstraße zu beenden. Damit mindern wir Konflikte und sorgen dafür, dass sich Menschen, die in ihrer Heimat keine Perspektive mehr haben, besser in unsere Stadtgesellschaft integrieren können.“
https://www.gruenekoeln.de/artikel/dringlichkeitsantrag-verwaltung-muss-fuer-wuerdevolle-unterbringung-gefluechteter-menschen-sorgen/

Das Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung begrüßt die hier demonstrierte Solidarität mit den Flüchtlingen. Aber warum wird der Beschluss des Rates vom Februar 2021 zur Unterbringung der Obdachlosen in abschließbare Einzelzimmer nicht genauso erneuert?

Dafür stehen wir heute um 14:30 Uhr auf dem Theo-Burauen-Platz. Wir erwarten von den grünen Ratsmitgliedern, dass sie  zu unserem Offenen Mikro kommen und uns erklären, wie es zu diesen Unterschieden im Umgang von Flüchtlingen und Obdachlosen in Köln kommen konnte.

Wir helfen ihnen unsererseits gerne zu verstehen, wie es kommt, dass sich arme Zuwanderer und arme Einheimische in unseren Städten mit zunehmender sozialen Ungleichheit feindlich gegenüber stehen und warum Neofaschisten damit Politik machen können.

Wir vertrauen darauf, dass alle in der Flüchtlingssolidarität Aktiven die Abschaffung der Obdachlosigkeit und die Abschaffung der Armut in ihre Öffentlichkeitsarbeit aufnehmen.

Wir vertrauen darauf, dass alle gegen die neuen und alten Faschisten Aktiven die Abschaffung der Obdachlosigkeit und die Abschaffung der Armut in ihre Öffentlichkeitsarbeit aufnahmen.

Wir wollen in einer Stadt leben, in der niemand mehr Angst haben muss, ins Bodenlose zu fallen.
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

13. Januar 2021
Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung

Arm und reich – alle gleich?

Der zweite Kölner Tatort im kommenden Jahr führt die fiktiven Kriminalhauptkommissare Max Ballauf und Alfred („Freddy“) Schenk  laut Vorankündigung in die Welt der Obdachlosen und zu deren Überlebenskampf, nachdem eine Frau unter einer Brücke im Schlaf angezündet wurde.  Der Titel des Films: „Brennen sollst Du“.

Nebenrollen in solchen Krimis haben oft Schauspieler die Journalistinnen und Journalisten darstellen, die sich bemühen von den Kommissaren Ermittlungsergebnisse zu erhalten. Regelmäßig werden sie von den Polizisten mit dem Hinweis auf die laufenden Ermittlungen zurechtgewiesen.

In realen Köln war das gestern nicht nötig. Da hat die Pressestelle der Polizei den Medien mitgeteilt, dass sie einen 29jährigen Obdachlosen im Visier haben.  Mit kleinen Meldungen in den heutigen Ausgaben der Tageszeitungen wird das gewürdigt.

Die Kölnische Rundschau referiert dankenswerter Weise nicht nur den Polizeibericht, sie lässt auch Andreas Hupke, den grünen Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, zu Wort kommen. Er äussert nicht nur wie die Grünen Sozialpolitiker Sven Lehmann und Marc Kersten seine Bestürzung über die abscheuliche Tat, sondern er beklagt auch dass zu viele Menschen „schutzlos im Regen stehen“, und fordert die Stadt auf, die Betroffenen besser zu schützen.

Während selbst die Tatort-Kommissarinnen und –Kommissare in vielen dieser sozialkritisch angelegten Krimis die gesellschaftlichen Ursachen von Straftaten ansprechen, halten sich die Kölner Medien bedeckt. Dabei müssten sie nur mal lange Gespräche mit obdachlos gewordenen Jugendlichen, Frauen und Männern führen und sie ausführlich zu Wort kommen lassen, um die Einsicht entstehen zu lassen, woher die Gewalt unter den Obdachlosen und gegen Obdachlose kommt.

Während das heute unterlassen wird, liegt dem Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnischen Rundschau jeweils ein Faltblatt bei, das aufgeklappt 125 x 46 cm groß ist und ein Panorama von Köln zeigt, das fett mit „Wohnprojekte Köln“ überschrieben. Ich empfehle diese Zeitung heute wegen dieser Beilage zu kaufen. Sie verschafft eine Ahnung davon, wie Köln zu einem Milliardenmarkt der Immobilienwirtschaft geworden ist, der Reichtum und Obdachlosigkeit produziert.

Während wir morgen von 13.30 – 15 Uhr auf unserer Kundgebung vor dem Rathaus auf dem Alter Markt „Verschließbare Zimmer für alle Obdachlosen“ als Übergangslösung für ein möglichst schnelles „Housing Frist“ für alle fordern, tagt der neugewählte Stadtrat. Wie im beigefügten Artikel aus der Rundschau erklärt wird, geht es um die Verteilung der Aufsichtsräte. „Im Vorfeld haben sich die Parteien darauf verständigt, wer künftig welches Gremium leiten soll.“ Nachdem die CDU die Grünen über den Tisch gezogen hat und alle im Interesse der Immobilienwirtschaft wichtigen Posten unter ihre Kontrolle gebracht hat, erklären sie gönnerhaft: „Die Grünen langen richtig zu.“ 

Die Realsatiren trösten allerdings nur ein Bisschen über den pandemiebedingten Ausfall der Stunksitzung. Tatsächlich bietet das Kölner Biotop der Raffzähne und Miethaie weit mehr Anlass zu Wut als zum Lachen.

Wir müssen ermitteln wem die Stadt gehört und sie zu einer Stadt für die Menschen machen, die drin wohnen.
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit  – für eine Stadt ohne Armut.

9.Dezember 2020
Klaus Jünschke

Abschließbare Zimmer für alle Obdachlosen

Nachdem ich in der neuesten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes gelesen hatte, dass an die 14% der Strafgefangenen 2019 keinen festen Wohnsitz hatten, als sie inhaftiert wurden, habe ich recherchiert, ob es Forschungen dazu gibt. Erschreckend wenig, aber es gibt sie. In der 2006 vorgelegten Doktorarbeit „Kriminalität, Kriminalisierung und Wohnungslosigkeit“ von Marion Müller stehen am Ende Ergebnisse:

Ihre Studie veranlasst sie zu einer deutlichen Kritik an Polizei und Justiz, die Obdachlose wiederholt wegen Bagatelldelikten ins Gefängnis schicken: „Würden sich die Verantwortlichen hinsichtlich der Sanktionierung von straffällig gewordenen Wohnungslosen etwas mehr mit der Lebenswelt Wohnungslosigkeit beschäftigen, käme es zu weniger absurden Urteilen  gerade  hinsichtlich  Bagatelldelikten  im  Wiederholungsfall.  Die  zum  Teil völlig verfehlten, unverhältnismäßig harten und vor allem sinnlosen strafrechtlichen  Konsequenzen  könnten  in  vielen  Fällen  umgewandelt  werden  in  adäquate,  sinnvollere  Alternativsanktionen.“

Aber nicht nur Polizisten und Richter müssen sich ändern, die Gesellschaft muss sich ändern: „Ein  einseitiger,  stigmatisierender  Blickwinkel  à  la  Wohnungslose  trinken,  betteln  und  klauen,  ist  nicht  haltbar.  Genauso  wenig  sollte  man  sich  allerdings  dazu  verleiten  lassen,  ausschließlich  einen  mitleidigen  Blickwinkel  anzusetzen.  Beide  Sichtweisen  versperren  die  Sicht  auf  woh-nungslose  Menschen  als  die  individuellen  Personen,  die  sie  sind:  weder  Täter  noch  Opfer  ihrer  Situation,  aber  umrahmt  von  extremen  Bedingungen,  die  ihren Handlungsentwürfen und -möglichkeiten entgegenstehen können.“

Die heutigen Presseberichte der Kölner Tageszeitungen legen den Schwerpunkt nicht auf die extremen Bedingungen, die die Handlungsmöglichkeiten der Obdachlosen einschränken und für die Stadt und Staat verantwortlich sind.  Angesichts des unaufgeklärten Tötungsdelikts am Chlodwigplatz  weiß der Stadt-Anzeiger: „Zunehmende Gewalt in Obdachlosenscene“ ohne dafür Beweise vorzulegen. Die wenigen Studien die es gibt, gehen davon aus, dass die Hälfte der Gewaltdelikte gegen Obdachlosen von anderen Obdachlosen ausgingen  und die andere Hälfte von Nicht-Wohnungslosen. Wobei klar ist, dass die Umgangsformen unter Obdachlosen von den extremen Bedingungen geprägt sind, die sie umgeben.

Warum rücken die Journalisten nicht den Verantwortlichen in der Sozialverwaltung auf die Pelle und ermitteln, warum den Obdachlosen nicht wenigstens für die Dauer der Pandemie leerstehende Hotels geöffnet werden?

Warum fragen sie SKM nicht, wieso sie die Türen in der Notschlafstelle in Merheim ausgehängt haben?

Die Kollegen vom Düsseldorfer Straßenmagazin fiftyfifty müssen keine Wissenschaftler bemühen um zum Wesentlichen zu kommen: „Alle uns bekannten Personen möchten selbst gerne ihre Schlafstellen aufgeben und in regulären Wohnraum einziehen. Dabei steht der Wunsch nach einem abschließbaren Zimmer, in dem sie zur Ruhe kommen, an oberster Stelle. Notschlafstellen und Unterkünfte mit harten Regeln und vielen anderen Übernachtern sind daher meist keine Option.“

Die Kundgebung unserer Mahnwache gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung beginnt am Donnerstag um 13.30 h. Die Polizei hat die Zahl der Teilnehmenden auf dem Alter Markt auf 100 begrenzt. Wir wären gerne  um 15 h vom Alter Markt zum Chlodwigplatz gegangen um dort den vielen Toten Obdachlosen zu gedenken. Das wurde wegen der Pandemie nicht erlaubt.

8.Dezember 2020
Klaus Jünschke

Presseerklärung zu dem Anschlag auf einen schlafenden Obdachlosen am Chlodwigplatz

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. zählte die Angriffe von Menschen, die eine Wohnung haben, auf Obdachlose und kam von 1989 bis 2017 auf insgesamt 238 Todesfälle und 794 Körperverletzungen. (Jünschke, Kippe, Stankowski: RatSchläge gegen Wohnungsnot, Köln 2020,  S.19)

Gestern hat die Polizei mitgeteilt, dass bisher Unbekannte versucht haben einen schlafenden Obdachlosen beim Chlodwigplatz  zu verbrennen.

Am 9.November 1992 habe wir dort mit 100.00 anderen zum ersten Mal das „Arschu-Huh“-Lied gehört:
Wie wöhr et, wemmer selver jet däät,
Wemmer die Zäng ens ussenander kräät?
Wenn mir dä Arsch nit huhkrieje,
Ess et eines Daachs zo spät.

Nach dem Mord an Basti vor vier Jahren titelte der Express: „Köln lässt Obdachlose allein“
Am Ende des Artikels sagte Nicole: „Vielleicht ist mal der Zeitpunkt gekommen eine Demo für und mit Obdachlosen in Köln durchzuführen. Das Thema geht uns alle an! Wenn 44.000 Kölner gegen Rechtspopulismus demonstrieren, dann sollten doch auch ein paar Kölner ein Herz für Obdachlose haben, sich solidarisch zeigen und ihnen eine Stimme geben!“ Das sagte Nicole 2016.
https://www.express.de/koeln/basti—29–verbrannt-horror-tat-entsetzt-helfer—koeln-laesst-obdachlose-allein–25089862?originalReferrer=https://l.facebook.com/&fbclid=IwAR2zTr-Aobe57x6s-B_7F-OPJlFxfl7_n1Oru7Dg_LXvoBJXgfGfgQ9mpjo

Am Internationalen Tag der Menschenrechte, am Donnerstag, den 10.Dezember 2020 ist unsere nächste Kundgebung gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung von 13.30 – 16 h vor dem Rathaus der Stadt Köln auf dem Alter Markt. Helft mit unserer Forderung nach Öffnung der Hotels und der Unterbringung aller Obdachlosen in Zimmern mit Bad Gehör zu verschaffen. An diesem Tag findet die 3.Ratssitzung des neugewählten Stadtrats statt.

Nach dem die Polizei gestern bekannt gemacht hat, dass eine Mordkommission gebildet wurde, um aufzuklären, wer einen schlafenden Obdachlosen verbrennen wollte, haben uns Freunde gefragt, was das für Menschen sind, die sowas tun. Wem die ganz deutsche Geschichte aus dem Blick geraten ist, weil die Erinnerungskultur die Gutwerdung der Deutschen vollbracht hat, empfehlen wir zu den „Männerphantasien“ von Klaus Theweleit zu greifen und Christopher R. Browning: „Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen“ zu lesen.

Aber man muss nicht soweit zurückgehen um zu verstehen woher die Wind weht:

Diesen Sommer startete das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung von NRW  unter den 396 Städten und Gemeinden eine Umfrage über die Zukunft der Innenstädte. Aus den Rathäusern kamen die Antworten von der Stadtentwicklung, der Stadtplanung oder der Wirtschaftsförderung. Vor zwei Tagen gab Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Ergebnisse bekannt. Erstmals wurde „Sicherheit und Sauberkeit“ als wichtigster Zukunftsfaktor eingestuft.  In den Jahren davor stand auf Platz 1 immer die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerin-scharrenbach-innenstaedte-der-zukunft-sauberkeit-und-sicherheit-werden

Wir von der Mahnwache gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung kommen mit unseren Forderungen „Für ein Stadt ohne Obdachlosigkeit, für eine Stadt ohne Armut“ gar nicht vor. Das liegt nicht daran, dass nur die Stadtverwaltungen gefragt wurden und nicht die Bevölkerung.
Die Neoliberalen haben es geschafft mit ihrer frohen Botschaft „Wir sind alle Mittelschicht“ selbst die Armen zu desorientieren. Da stören die Obdachlosen und Junkies, die auf den Straßen liegen. Es gibt keine richtige Auseinandersetzung mit der Armut in der Stadt. Wenn überhaupt wird von „armutsgefährdet“ gesprochen und geschrieben. Für das Institut der Deutschen Wirtschaft sind das in Köln über 25% der Bevölkerung. Vielen von ihnen können nur mit Hilfe der Tafel und der Kleiderkammern überleben.

Durch die Pandemie ist sichtbar geworden, was seit Karl Marx  zur Allgemeinbildung gehören müsste: der kapitalistische Reichtum beruht auf der Armut jener, die ihn als Lohnabhängige herstellen, vermehren und verwalten. Arm sind sie, weil sie ausgeschlossen sind von den Produktionsmitteln. Das begründet überhaupt ihre Lohnabhängigkeit. In diesem Sinn ist die absolute Mehrheit in der Stadt und in der ganzen Gesellschaft, wie auf der ganzen Welt arm.

Als wir am 27.Juli vor  dem Rathaus auf dem Alter Markt unseren Info-Stand aufbauten, baten wir die Passanten mit ihrer Unterschrift unsere Forderungen zu unterstützen. Der Text an die Kölner Mitbürgerinnen und Mitbürger war überschrieben mit „Stoppt Wohnungsnot, Abbruch und Obdachlosigkeit – ein sicheres Zuhause für alle“. (In unserem Buch „RatSchläge“ auf S.11)

Anfang Juli konnte der Stadt-Anzeiger melden, dass der erste Obdachlose in Köln vermittels „Housing First“ eine Wohnung bekommen hat. Der Vringstreff e.V. hatte es geschafft eine Wohnung zu kaufen und hat sie einem Obdachlosen vermietet. https://vringstreff.de/wohnen-housing-first/
Im Wahlkampf für die Kommunalwahl im September hatten alle Parteien „Housing First“ in ihre Programme aufgenommen. Aber alle Wohnungs- und Obdachlosen schnellstmöglich mit Wohnungen zu versorgen gehörte nicht zu ihren Forderungen. In ganz Deutschland gibt es noch keine Stadt, die eine Stadt ohne Obdachlosigkeit sein will. (RatSchläge S. 17) Dabei fordert selbst die EU, die an ihren Außengrenzen jedes Recht missachtet, selbst das Existenzrecht, dass innerhalb der EU Obdachlosigkeit bis 2030 beendet werden soll. Wie das ohne Enteignung der Immobilienkonzerne gehen soll, wird nicht erklärt, aber die Forderung steht.
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-will-obdachlosigkeit-beenden-101.html?fbclid=IwAR0BAqiXeRL7t2pa01GnZMy854FBwk2rd1FkuVXVofr61FMrei2ZntjErxM

Durch die Pandemie gibt es in den Medien Berichte über die Gruppen, die am stärksten gefährdet sind. Wissenschaftler nennen sie „vulnerabel“, verwundbar. Die Obdachlosen kommen dadurch wieder vor. Sie haben kein Zuhause, sie können sich nicht regelmäßig die Hände waschen.

Warum die Sozialverwaltung und der Rat der Stadt Köln selbst mit der erst am 3.Dezember gestarteten Winterhilfe  nicht beschlossen haben leerstehende Hotels zu öffnen und alle Obdachlosen auf der Straße eigene Zimmer mit Dusche und Toilette anzubieten, können wir uns nur aus der in unserer Gesellschaft tief verankerten Abwertung von Obdachlosen erklären.
Es ist nicht nur die Stadt, die Armut nur verwaltet, statt an ihrer Überwindung zu arbeiten. Jeder siebte Insasse der Gefängnisse in Deutschland war bei seiner Verhaftung obdachlos. Diese extreme Überpräsentierung zeigt, dass Obdachlose mehr kriminalisiert werden, als dass ihnen wirklich geholfen wird. (RatSchläge S.16) Arme werden bekämpft, nicht die Armut.

In unserem Buch „RatSchläge gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln“ haben wir auf S.18 aus dem Forschungsprojekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zitiert, mit dem auch jährlich die Abwertung von Obdachlosen gemessen wird. Über ein Drittel der Bevölkerung erklärt, dass ihnen Obdachlose in den Städten unangenehm sind, sie halten Obdachlose für arbeitsscheu und finden dass bettelnde Obdachlose aus den Fußgängerzonen entfernt werden sollten.
6.Dezember 2020
Klaus Jünschke, Juer Gen, Rainer Kippe, Christa Schliebs,
Für die Mahnwache gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit