Armes Köln

Die Soziologin Jutta Almendinger hatte am 1.12.2018 im Kölner Stadt-Anzeiger die Gelegenheit zur wachsenden Sozialen Ungleichheit in Köln und ihren Folgen für die Chancengleichheit in den Schulen zu sprechen: „Gerade in Köln ist in den vergangenen Jahren die soziale Segregation stark angestiegen. Und der Anteil der Kinder, die in benachteiligten Quartieren wohnen, ist relativ hoch in der Stadt. Von Chancengleichheit kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Wir brauchen eine Stadtentwicklungsplanung, die das soziale Miteinander an die erste Stelle setzt.“

Wodurch die soziale Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten verstärkt wurde, sodass heute 25% der Einwohner arm sind, hat die Kölner Autorin Claudia Pinl 2013 in ihrem Buch „Freiwillig zu Diensten? Über die Ausbeutung von Ehrenamt und Gratisarbeit“, das im Frankfurter Nomen Verlag erschienen ist, erklärt:

Mit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997, aus der die Städte Anteile erhielten und der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer 1998 verloren die deutschen Kommunen verlässliche Einnahmequellen. Dadurch wurde das Sponsoring durch die Privatwirtschaft immer wichtiger. Die Unternehmen gaben werbewirksam zurück, was sie an Steuern eingespart hatten, wenn auch nur in Bruchteilen.

Unter dem Zwischentitel „Rot-Grün pflügt die Gesellschaft um“ schildert sie die Folgen der Agenda 2010: Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse durch Befristung, Leiharbeit, Arbeiten unterhalb der Versicherungspflichtgrenze und Scheinselbstständigkeit.
Im Jahr 2000 wurden die steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten für Stiftungen ausgeweitet. Die öffentliche Hand verzichtet auf erhebliche Steuereinnahmen, wird arm und ärmer, damit die Vermögenden nach eigenem Gusto entscheiden können, wie sie ihre Millionen und Milliarden einsetzen – ohne demokratische Kontrolle. Entsprechend boomt das Stiftungswesen.

Mit Wehmut blickt sie auf die Sechziger Jahre zurück, als  Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an Fachhochschulen ausgebildet wurden: „Viele von ihnen waren durch die Studentenbewegung politisiert und arbeiteten neben ihrer professionellen „Einzelfallhilfe“  auch daran, gesellschaftliche Zustände schaffen, in denen Menschen nicht mehr auf diese Hilfen angewiesen sein würden.“ Die Sozialistische Selbsthilfe Köln und die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim stehen dafür bis heute.  

Am Ende ihres Buchs stellt sich Claudi Pinl die Frage: „Darf man die Hilfsbereitschaft kritisieren?“ Und gibt die Antwort:  „ Ja, man darf. Wenn Staat und Gesellschaft dulden, dass einige wenige sich auf Kosten vieler bereichern, dass öffentliche Infrastruktur und kulturelle Errungenschaften den Bach runtergehen, weil Multimillionäre den Hals nicht voll genug kriegen, wenn die politische Ebene sich von der Verantwortung verabschiedet, das gemeinsam Erwirtschaftete möglichst allen in der Gesellschaft zu gute kommen zu lassen. Dann muss man davor warnen, dass gutgläubige, hilfsbereite Menschen für die folgen politischer Fehlsteuerung den Ausputzer machen.“
Was ist zu tun: „Sich einsetzen für eine Politik, die den Reichtum in Deutschland umverteilt und die Almosengesellschaft verabschiedet.“

Wie lebendig die Almosengesellschaft ist und wie stark ihre Verteidiger kann heute wieder im Stadt-Anzeiger besichtigt werden. Statt sich von dem Maler Gerhard Richter erklären zu lassen, wofür er seine 500 Millionen Euro braucht, werden die Leserinnen und Leser des Blattes auf Seite 8 mit einer Bild von Richters beglückt: „Für die Leserinnen und Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat der in Köln lebende, weltberühmte Künstler nun die Erlaubnis gegeben, eine Kerze abzudrucken – zum Ansehen, vielleicht sogar zum Ausschneiden und Aufhängen, jedenfalls als kleinen Lichtblick in diesen schweren Zeiten.“  Für die heute gestartete künstlerische Solidaritätsaktion namens „Notgeld“ für Betroffene der Corona-Krise hat Richter etwa 30 Sonderdrucke seiner „Kerze“ spendiert.
https://www.ksta.de/kultur/kunst-als-trost-in-zeiten-der-krise-36574122

Antisemitismus und Pandemie

Anfang März berichteten alle Medien von den 2019 in Deutschland angestiegenen antisemitischen Straftaten.
https://www.jungewelt.de/artikel/374133.zahl-antisemitischer-straftaten-auf-hoch.html

In der Corona-Berichterstattung ging unter, wie die Bundesregierung darauf reagierte: 
BERLIN taz | Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will die Antisemitismusforschung in Deutschland ausbauen: Im Rahmen einer neuen Förderrichtlinie stellt der Bund hierfür ab 2021 zwölf Millionen Euro für einen vierjährigen Forschungszeitraum zur Verfügung. Dies kündigte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Dienstag an: „Wir sind hier, um dem Antisemitismus mit der Wissenschaft zu Leibe zu rücken.“ Forschung sei die Grundlage einer wirksamen Prävention.
 Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, warnte davor, das Thema Antisemitismus angesichts der Coronapandemie aus den Augen zu verlieren. Im Gegenteil seien die Menschen in Krisenzeiten besonders anfällig für „krude Erklärungsmuster und Verschwörungstheorien“.
https://taz.de/Plaene-des-Bildungsministeriums/!5677471&s=Luisa+Kuhn/

Als im vergangenen Jahr Adornos am 6.4.1967 vor Studenten in der Universität Wien gehaltener Vortrag „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ vom Suhrkamp Verlag Berlin veröffentlicht wurde, ist er quer durch alle Medien begeistert aufgenommen worden. Viele glaubten ein Rezept für den Umgang mit der AfD gefunden zu haben. Aber von einer wirklichen  Auseinandersetzung mit seinem Vortrag wurde schnell Abstand genommen. Wie karriereschädigend Antikapitalismus ist, muss in Deutschland keinem Journalisten beigebracht werden. Adorno hatte schon in seinem 1959 gehaltenen Vortrag „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ erklärt: „Ich möchte nicht auf die Frage neonazistischer Organisationen eingehen. Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.“ (Theodor W. Adorno: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt a.M. 1982, S.10)

In Wien hat er das unmissverständlich wiederholt, als er gleich zu Beginn seines Vortrags auf die fortbestehenden gesellschaftlichen Voraussetzungen des Faschismus zu sprechen kam: „Dabei denke ich in erster Linie an die nach wie vor herrschende Konzentrationstendenz des Kapitals…  …Diese Konzentrationstendenz bedeutet nach wie vor auf der anderen Seite die Möglichkeit der permanenten Deklassierung von Schichten, die ihrem subjektiven Klassenbewusstsein nach durchaus bürgerlich waren, die ihre Privilegien, ihren sozialen Status festhalten möchten und womöglich ihn verstärken. Diese Gruppen tendieren nach wie vor zu einem Hass auf den Sozialismus oder das, was sie Sozialismus nennen, das heißt, sie verschieben die Schuld an ihrer eigenen potentiellen Deklassierung nicht etwa auf die Apparatur, die das bewirkt, sondern auf diejenigen, die dem System, in dem sie einmal Status besessen haben, jedenfalls nach traditionellen Vorstellungen, kritisch gegenübergestanden haben.“ (Theodor W. Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus,  Berlin 2019, S.10)

Bekanntlich endete Adorno seinen Vortrag 1959 so: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“

Diese Ursachen des Vergangenen, die gesellschaftlichen Vorrausetzungen des Faschismus, sind in der aufgekommenen Debatte um das Ende der Pandemie zum Thema geworden:

Der Spiegel: „Wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie Die Welt nach der Krise
Eine Kolumne von Henrik Müller
Die Corona-Pandemie verstärkt Trends, die seit Jahren zu beobachten sind. In der Wirtschaft droht eine Konzentration zugunsten der Großkonzerne.
Auf vielen Märkten ist die Konzentration so weit fortgeschritten, dass sie von wenigen oder sogar nur einem einzigen Unternehmen kontrolliert werden.“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/corona-krise-und-wirtschaft-die-wirtschaftlichen-folgen-der-pandemie-kolumne-a-542e8a73-273f-4e2b-958b-bea91c94d472


Gestärkt aus der Corona-Krise?
Winfried Kretschmann geht davon aus, dass die allermeisten danach ärmer sind.
‚Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet für die Zeit nach der Corona-Krise harte Verteilungskämpfe. „Machen wir uns nichts vor: Das wird eine harte Debatte geben, wer die Kosten für die Rettungspakte trägt“, sagte der Grünen-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Letztlich werde die gesamte Bevölkerung dafür bezahlen: „Die meisten Menschen werden nach der Corona-Krise erstmal ärmer sein.“
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.winfried-kretschmann-die-meisten-werden-nach-corona-krise-erstmal-aermer-sein.fde23fb7-bf58-44f2-bfa4-ef8198721776.html


Auf wen sich die Bevölkerung in den von Kretschmann angesagten Verteilungskämpfen nicht verlassen kann, sind die Grünen, wie Ulrich Schult in seinem taz-Kommentar treffend formuliert hat:
. Die Grünen von heute aber wollen geliebt werden, mehrheitsfähig sein, alle bei der ökosozialen Wende mitnehmen, irgendwie. Auch die Klattens und Quandts der Republik. Umverteilung ist in der Denkwelt führender Grüner ein Unthema, eines, das noch im Programm steht, über das aber geschwiegen werden muss.
https://taz.de/Die-steile-These/!5675232/


Wolfgang Pohrt hat uns die Erklärung hinterlassen, warum im Krieg der Reichen gegen die Armen die Antisemiten und Rassisten gebraucht werden:
 „Sie werden gebraucht, weil sie so was wie der Dreck sind, an welchem der Saubermann zeigen kann, dass er einer ist. Sie werden gebraucht, damit Schröder die von ihm geführten Raubzüge der Elite als „Aufstand der Anständigen“ zelebrieren kann.

Sie werden gebraucht, weil die Ächtung von Antisemitismus und Rassismus das moralische Korsett einer Clique sind, die sich sonst alles erlauben will, jede Abgreiferei, aber wie jeder Verein für ihren Bestand Verbote und Tabus benötigt.

Sie werden gebraucht, damit die Aufsteiger aus der Protestbewegungsgeneration, die in ihren verwahrlosten Wohngemeinschaften das Aufräumen verlernten, sich nunmehr das Herz an der Vorstellung wärmen können, sie stünden den Verfolgten bei, wenn sie sich die steuerlich absetzbar gewordene bosnische oder tamilische Putzfrau leisten.

Sie werden einfach für den Übergang in eine neue Zeit gebraucht. Es läuft glatter, wenn die Elite sich moralisch in Positur werfen kann, während sie Arme, Alte und Arbeitslose beklaut.“

(Wolfgang Pohrt: FAQ, Berlin 2004, S.45f.)

13. April 2020
Klaus Jünschke

Zeitgeschichte:Kontaktsperre


In allen Medien lese und höre ich die an unterschiedlichste Expertinnen und Experten gerichtete Frage wegen des „sogenannten Kontaktverbots“, das noch bis zum 20. April gelten soll: „Wie lange halten die Menschen das aus?“
Warum haben diese Journalistinnen und Journalisten in den vergangen Jahrzehnten nie gefragt, wie lange Gefangene Isolationshaft, im Justizjargon die strenge Einzelhaft, aushalten können, sollen, müssen? Und dieses Haftstatut ist keine Vergangenheit. Vielleicht eine Gelegenheit den Unterschied zwischen : Zimmer und Zelle zu lernen und zu erkennen, dass Menschen nicht in Zellen gehören.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontaktsperre

Passend dazu das am 4.4.2020 in der taz veröffentlichte Interview:

Haptikforscher Martin Grundwald über menschliche Nähe: „Wir Säugetiere sind Kontaktwesen“
Berührungen sind für den Menschen essentiell, sagt Martin Grunwald. Er erklärt, was man jetzt tun kann – und warum wir uns so oft ins Gesicht fassen.

taz:  Was macht fehlender Körperkontakt mit uns?
Martin Grundwald: Das ist schon ein dramatischer Zustand. Jedes Säugetier braucht ein gewisses Maß an Berührungen. Wenn die lange ausbleiben, können Körper und Seele krank werden. Das wird sicherlich bald Psychologen und Psychiater beschäftigen. Wobei Erwachsene natürlich die Möglichkeit haben, ungesunde Ausgleichsstrategien umzusetzen.

Taz: Welche?
Martin Grundwald: Alkohol und Drogen etwa.
https://taz.de/Haptikforscher-ueber-menschliche-Naehe/!5674114/

10.04.2020

„Wir wollen unsere Alten schützen“

In der Maternus-Seniorenwohnanlage in Köln-Rodenkirchen herrscht wegen der Corona-Krise derzeit der Ausnahmezustand. Zwei Bewohner, die an Covid-19 erkrankt waren, sind verstorben, wie der Leiter des Gesundheitsamtes, Johannes Nießen, am Montagabend bestätigte. Bereits am Freitag hatte der Träger der Einrichtung, das Berliner Unternehmen Cura, erklärt, fünf Mitarbeiter und mehrere Bewohner seien positiv auf das Virus getestet worden.
Das Betreten des Heims wurde verboten, aber die Heimleitung lässt zu, dass die Bewohner das Haus zum Einkaufen verlassen. Cura verwies auf die geltende Rechtslage. Man habe nicht die Befugnis, ein Ausgangsverbot zu verhängen.
Das Rodenkirchener Heim ist kein Einzelfall. Das Gesundheitsamt verzeichnete am Freitag 51 bestätigte Corona-Fälle in Seniorenheimen und Behinderteneinrichtungen, drei Bewohner waren verstorben. Mit den beiden Fällen aus Rodenkirchen hat sich ihre Zahl nun auf fünf erhöht. Allein in einer Einrichtung für Behinderte erkrankten 14 Bewohner und drei Mitarbeiter.
https://www.ksta.de/koeln/leiter–bewohner–mitarbeiter-gleich-mehrere-corona-faelle-in-koelner-seniorenanlage–36488990

Zwölf Tote in Wolfsburger Hans-Lilje-Heim (Aktueller Stand: 17 Tote)
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Corona-in-Wolfsburger-Pflegeheim-Zwoelf-Tote,coronavirus962.html

Zwölf Tote in Würzburger Seniorenheim St. Nikolaus (aktueller Stand: 15 Tote)
https://www.merkur.de/bayern/coronavirus-pflegeheim-wuerzburg-seniorenheim-bayern-tot-konsequenzen-evakuierung-zr-13612953.html

Mike Davis über die Situation in den USA:
„Wie tödlich das privatisierte Gesundheitssystem ist, zeigt insbesondere die gewinnorientierte Pflegeheimindustrie, die 2,5 Millionen ältere US-Bürger versorgt. Niedrige Löhne, zu wenig Personal und illegale Kostensenkungen sind typisch für diese Branche. Das hat auch ohne Corona Folgen. Zehntausende sterben jedes Jahr, weil die Pflegeheime grundlegende Infektionskontrollen vernachlässigen – ein Umstand, den man als vorsätzlichen Totschlag bezeichnen muss. Insbesondere in den Südstaaten zahlen viele Pflegeeinrichtungen lieber Strafen, als die Hygienevorschriften einzuhalten oder ausreichend Pflegepersonal einzustellen.
Es ist keine Überraschung, dass die Pandemie in den USA in einem Pflegeheim ausbrach…
Laut Straub ist es auch nicht erstaunlich, dass sich das Virus so rasch vom Life Care Center in Kirkwood auf zehn nahe gelegene Pflegeheime verbreitete: Die Pflegekräfte arbeiten in der Regel in mehreren Heimen – gezwungenermaßen, denn in Seattle sind die Mieten extrem hoch.“ https://taz.de/US-Gesundheitssystem-und-Corona/!5669242&s=Mike+Davis/

In Deutschland nennen sich die gewinnorientierte Pflegeeinrichtungen „soziale Dienste“:
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.  
Mit rund 5.600 Pflegediensten, die ca. 255.000 Patienten betreuen, und 5.400 stationären Pflegeeinrichtungen mit etwa 330.000 Plätzen vertritt der bpa mehr als jede dritte Pflegeeinrichtung bundesweit.
Die Mehrzahl der Mitglieder sind typische mittelständische Unternehmen, ob als Pflegedienst mit 12 Mitarbeitern oder als Pflegeheim mit 70 Plätzen. Insgesamt tragen die Mitglieder des bpa die Verantwortung für rund 335.000 Arbeitsplätze und ca. 25.000 Ausbildungsplätze. https://www.bpa.de/Mitglieder.221.0.html

Kritik kommt auch von der Stiftung Patientenschutz (https://www.stiftung-patientenschutz.de/):
„Die zehn Toten von Würzburg werfen ein grelles Schlaglicht auf die dramatische Lage im Pflegebereich“, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, der SZ. Etwa 3,6 Millionen Pflegebedürftige würden in Heimen und zu Hause versorgt. Sie seien dem Coronavirus ausgeliefert, aufgrund ihres Alters und ihrer zahlreichen Vorerkrankungen. „Bund und Ländern ist das bekannt. Sie legen teure Hilfsprogramme auf, aber die Altenpflege bleibt außen vor“, so Brysch. Dass Arbeitsmittel wie Schutzmasken und Schutzkleidung fehlten, dürfe so nicht weitergehen. „Was hier schiefläuft, kann die Intensivstation kaum retten.“
https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-pflege-altenheime-atemschutzmasken-1.4858231-2

Schon lange vor Corona bekannt:  Arme sterben früher  https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/neue-studie-warum-sterben-arme-frueher-11895767.html

31.3.2020
Klaus Jünschke

Es müsste wesentlich mehr gelesen werden

Auf den Seiten 12 und 13 ist heute im Kölner Stadt-Anzeiger ein Dossier zur Situation der Obdachlosen, die vom Bemühen, das Coronavirus einzudämmen, besonders betroffen sind. Warum solche sozialen Beiträge, die zum Helfen aufrufen, kostenpflichtig sind, sollte jemand erklären. Aber das nur nebenbei. Es ist erfreulich, dass die Hilfe für Obdachlose in Köln wächst, wie die Nachbarschaftshilfe überhaupt. Sogar die städtischen Armutsverwalter sind aufgewacht.  Auch Sozialdezernent Rau „hätten vor wenigen Tagen die Stimmen erreicht, die eine katastrophale Versorgungslage bei Obdachlosen beklagten.“

Aus diesem Dossier ist die unten stehende Grafik, aus der wir erfahren, dass die Zahl der Obdachlosen von 3.655 im Jahr 2012 auf 5987 im Jahr 2018 angewachsen ist. Warum?
Die Wohnungsfrage ist so alt, wie der Kapitalismus. Warum wurde die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum zu keiner Zeit erfüllt?

„Dass man über die Ursachen Bescheid weiß und nicht aus opportunistischen Gründen über sie hinwegsieht, ist doch die Voraussetzung dafür, dass man was ändern kann. Das halte ich zumindest auch in meinem Alltag und meinem normalen Leben für selbstverständlich. Dass man sich erstmal über die Ursachen Klarheit verschafft und dann ans Lösen geht.
Hilfe ist immer dann nötig, wenn Hilfsbedürftigkeit erstmal in der Welt ist. Die deutschen Sozialverbände helfen seit über 150 Jahren—und das halte ich für ein trauriges Urteil. Wenn man sich nicht mehr mit den Ursachen der Notlagen in Deutschland oder der Welt befassen will, dann ist Hilfe gar kein erster Schritt zur Überwindung der Probleme, sondern nur die Betreuung des Leids.“ (Arian Schiffer-Nasserie)

„Es war einer der großen, mit dem Dogma nicht unmittelbar identischen Impulse des Christentums, die alles durchdingende Kälte zu tilgen. Aber dieser Versuch scheiterte; wohl darum, weil er nicht an die gesellschaftliche Ordnung rührte, welche die Kälte produziert und reproduziert.“ (Adorno)

Wir haben Zeit zu helfen und Zeit zu lesen. Meine Lektüreempfehlungen:
Claudia Pinl: „Ein Cappucino für die Armen. Kritik der Spenden- und Ehrenamtsökonomie.  PapyRossa Verlag Köln 2018
und
Renate Dillmann / Arian Schiffer-Nasserie: „Der soziale Staat. Über nützliche Armut und ihre Verwaltung“. VSA Verlag, Hamburg 2018

Unsere lokalen Buchhändler freuen sich über jede Bestellung
https://www.ksta.de/koeln/obdachlose-in-koeln-keine-pfandflaschen–keine-unterkuenfte–keine-hoffnung-36480124

Zur Ökonomisierung des Sozialstaats

Im Kabinett von Helmut Kohl war 1997 Horst Seehofer Gesundheitsminister. Damals  wurden mit der Einführung der Fallpauschalen die Krankenhäuser schrittweise zu Unternehmen mit dem Ziel der Profiterwirtschaftung gewandelt. „Offensiv wurden zu wenige Kräfte für die anfallende Arbeit auf den Stationen eingestellt – mit der klaren Berechnung, dass das Personal es nicht über’s Herz bringen wird, die Kranken unversorgt zu lassen. Dass permanent an Lohnkosten gespart wird, indem viele Tätigkeiten an Subfirmen mit extrem schlecht bezahlten Hilfs- und Reinigungskräften vergeben werden, geht durchaus zu Lasten der ehemals selbstverständlichen Hygienestandards. 10.000 bis 15.000 Menschen sterben jährlich in Krankenhäusern an multiresistenten Keimen, die hierzulande wesentlich stärker verbreitet sind, als bei den europäischen Nachbarn.“ (S.105)

„Wenn die soziale Dienstleistung Mittel einer Geschäftskalkulation ist, dann ist der Zweck einer ambulanten Pflegestation, eines Krankenhauses, eines Altenpflegeheimes nicht die möglichst gute, dem Patienten zugewandte Pflege oder Behandlung. Der Zweck ist vielmehr, mit Pflege oder Blinddarm-Operation einen Überschuss zu erwirtschaften. Von diesem Zweck her muss alles, was dafür notwendigerweise gebraucht wird, als Kosten in den Blick genommen werden – seien es die Löhne der Ärzte und des Pflegepersonals bis hin zum Putzdienst und anderen Hygienemaßnahmen, seien es die Krankenhausbetten, die auch einmal unbenutzt dastehen (was unter diesen Bedingungen kein Glück, sondern eine mittlere Katastrophe ist, weil leere Betten einfach nur dastehen, ohne für Einnahmen zu sorgen).“ (Renate Dillmann/ Arian Schiffer-Nasserie:  Der Soziale Staat. Über nützliche Armut und ihre Verwaltung. Hamburg 2018, S.255)

Am 15. Juli 2019 stellte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie vor mit der behauptet wurde, dass wine bessere Versorgung der Kranken  nur mit halb so vielen Kliniken möglich sei: „In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser. Eine starke Verringerung der Klinikanzahl von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser, würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern und bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern.“
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/juli/eine-bessere-versorgung-ist-nur-mit-halb-so-vielen-kliniken-moeglich/

Dagegen formierte sich Widerstand: im vergangenen Jahr hat das Krankenhauspersonal quer durch die Republik Unterschriften für einen Protestbrief an Gesundheitsminister Spahn gesammelt. Die Unterzeichner forderten die Abschaffung der Fallpauschalen und die Berechnung des Personalbedarfs an den Bedürfnissen der Patienten. „An uns wird gespart und es wird sich an uns bereichert. Patient*innen werden blutig entlassen und Angehörige sind gezwungen den Pflegenotstand selbst abzufedern. Das macht uns wütend und wir nehmen es nicht länger hin!“, heißt es in dem Schreiben.
https://www.mopo.de/hamburg/post-fuer-jens-spahn-protestbrief-wandert-von-krankenhaus-zu-krankenhaus-32213648?dmcid=sm_fb&fbclid=IwAR2L-6l3rW5f_jCvxDP6D70HjRDBpFTa37CEFJ08lERIwk9JSbu6BC260ws

Aktuell fehlen selbst Ärzten Masken und Schutzkleidung und für die Bevölkerung gibt es kein Massentestsystem.

Die Umfragewerte für diejenigen, die dafür verantwortlich sind steigen –  Wähler erleben Merkel, Spahn und Söder als „führungsstark“ und folgen ihnen. Macht Angst unmündig?
https://www.focus.de/politik/deutschland/rtl-ntv-trendbarometer-union-legt-in-neuer-umfrage-deutlich-zu-afd-unter-10-prozent-gruene-verlieren_id_11798764.html

23.03.2020

Armut in der Corona-Pandemie – am Beispiel der Obdachlosen

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat den Bundesvorsitzenden der Tafeln gefragt: Die Menschen, die es ohnehin schon schwer haben, erhalten jetzt noch weniger Hilfe. Gibt es Überlegungen, wie der Staat die Arbeit der Tafeln auffangen kann?

Jochen Brühl: Bislang weiß ich davon noch nichts, appelliere aber an die staatlichen Stellen, auch unsere Arbeit zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass 1,65 Millionen Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, Rentnerinnen und Rentner, Alleinstehende, Arme, jetzt vergessen werden. https://www.ksta.de/politik/bundesvorsitzender-der-tafel–es-kann-nicht-sein–dass-arme-jetzt-vergessen-werden–36434230?fbclid=IwAR3PotQ9X2eIg9QR2IA_uSl3ExN1skXytp7woIf19K7pkdUiyVPkS9fwPxc

Wieso kann Finanzminister Scholz nicht jedem Obdachlosen – und allen anderen Armen  – 1.000 Euro zur Überbrückung bis Ostern schenken? Das würde nicht mal ein Bruchteil von dem kosten, was die Cum-Ex-Ganoven abgezogen haben. Besser wäre natürlich wenn allen, die auf die weggebrochenen Tafeln angewiesen waren für 6 Monate monatlich 1.200 Euro hätten. Nicht vorstellbar, dass die GroKo dazu ein Gesetz zustande bringt. Aber 1.000 Euro Soforthilfe für alle Armen sollten möglich sein in einem Land dessen Finanzminister nicht oft genug betonen kann, dass Geld genug da ist.

Zu Hause zu bleiben ist die Aufforderung dieser Tage. Doch was, wenn man kein Zuhause hat? Im Gespräch mit Dirk Dymarski von der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen http://www.wohnungslosentreffen.de/projekt/71-selbstvertretung.html

Freitag: Wenn alles geschlossen wird, wenn kaum noch Menschen unterwegs sind, dann gehen obdachlosen Menschen doch vermutlich auch Einnahmequellen verloren?

Dirk Dymarski: Definitiv. Auch die Möglichkeit, Pfandflaschen zu sammeln, geht verloren.
https://www.freitag.de/autoren/bennyk/zeigt-euch-solidarisch

„Noch haben die Behörden keinen Plan, wie sie der Not begegnen könnten. Und über allem steht die Frage: Was passiert eigentlich, wenn die ersten Obdachlosen an Covid-19 erkranken?“
https://www.welt.de/politik/deutschland/article206648407/Coronavirus-Fuer-Obdachlose-wird-die-Pandemie-zur-Existenzfrage.html?fbclid=IwAR1oc4r998FoAqqczMDlT9layGoLIIgiaU-47hu7YIvQdx7haUU0iS5Qg-M

Der Geschäftsführer des Straßenmagazins Hinz&Kunzt, Jörn Sturm, appelliert: „Da die meisten Tagesaufenthaltsstätten, Hilfseinrichtungen und sogar Behörden geschlossen sind oder nur noch einen Notbetrieb aufrecht erhalten, ist die Versorgung der Obdachlosen mit Lebensmitteln, Geld und medizinischen Angeboten nicht gewährleistet. Wir brauchen eine professionelle Corona-Koordinierungsstelle.
https://www.mopo.de/hamburg/hilfe-fuer-obdachlose-kollabiert-kein-warmes-essen–keine-dusche–keine-schlafsaecke-36439206?originalReferrer=https://www.facebook.com/&originalReferrer&dmcid=sm_fb&fbclid=IwAR1AV7QP048j3UZXomgs2dErQ4RFnBcBu9ShlV9_F9FXAoO76y1vsEZSzus

Aus Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz hat etwa das NRW-Justizministerium darauf verzichtet, Zwangsräumungen per Erlass zu verbieten. Die Entscheidung liegt damit weiter bei den ­Gerichtspräsidenten und ihren Gerichtsvollziehern vor Ort. Man setze aber darauf, dass diese in Zeiten der ­Coronakrise eigenverantwortlich handelten, ist aus Düsseldorf zu hören.
https://taz.de/Obachlosigkeit-in-Corona-Krise/!5672464/

Umgehend müssen alle leerstehenden Flüchtlingsunterkünfte so hergerichtet werden, dass Obdachlose Zimmer haben – ohne Alkohol- und Hunde-Verbot.

20. März 2020

„Es ist genug Geld da“

Wo bleibt das bedingungslose Grundeinkommen für alle, die auf die Tafeln angewiesen sind?

Wieso kann die Almosenökonomie nicht beendet werden, wenn genug Geld da ist?

Warum kommen bei Scholz die Obdachlosen und Arbeitslosen nicht vor?

Bundesfinanzminister Scholz: „Wir haben die finanzielle Kraft, diese Krise zu bewältigen. Es ist genug Geld da und wir setzen es ein. Wir ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um Beschäftigte und Unternehmen zu schützen. Darauf kann sich jede und jeder verlassen.“

Bundesfinanzminister Scholz und Bundeswirtschaftsminister Altmaier haben am 13. März 2020 ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen des Corona-Virus vorgelegt.

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2020/20200313-schutzschild-fuer-beschaeftigte-und-unternehmen.html

14.März 2020

Zum Wunder der sich vermehrenden Rechten bei Polizei, Geheimdiensten und Armee

Da es keine wirkliche Kontrolle der „Staatsbürger in Uniform“ (und ohne Uniform) bei Polizei, Geheimdiensten und Armee gibt, bilden sich subkulturelle Strukturen, die dem Muster der Entwicklung von Straßengangs entsprechen, die sich in Stadtteilen bilden, wo die soziale Kontrolle aufgehört hat zu existieren. Wie sonst kann im Verfassungsschutz die Idee aufkommen, NSU-Akten 120 Jahre sperren zu lassen? Es gibt keine Berichte über die Kampfeinsätze des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr und plötzlich stellt man verwundert fest, dass die von der politischen Führung so geschaffenen Räume, in denen das Recht des Stärkeren gilt, rechte Soldaten produzieren. Zygmunt Baumann: „Die Ursachen unmenschlicher Taten sind sozialer und nicht individuell-dispositioneller Natur. In einem sozialen Kontext, der moralische Maßstäbe entkräftet und Unmenschlichkeit legitimiert, wird es auch Menschen geben, die grausam sind.“ (Baumann, Zygmunt (1992): Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust. Hamburg)

In der Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und Sexismus wird nicht an die gesellschaftliche Ordnung gerührt, die sie hervorbringt.   
9.3.2020

Entnazifizierung genügt nicht

Als der Spiegel am 6.8.2019 Adornos „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ besprach, kam immerhin am Ende der Kapitalismus vor: „Aber er zeigt, was konstant geblieben ist und heute oftmals vergessen wird: dass der Rechtsradikalismus nicht das ganz Andere der Demokratie, sondern ein Krisenphänomen im Kapitalismus ist, das einer Logik folgt.“

Am Anfang seiner Besprechung berichtet Benjamin Moldenhauer zwar :  „Rechtsradikales Denken wird als Krisenphänomen gedeutet, als autoritäre Reaktion auf die ‚Möglichkeit der permanenten Deklassierung von Schichten, die ihrem subjektiven Klassenbewußtsein nach durchaus bürgerlich waren‘“. Aber das Wichtigste, was dem vorausgehend von Adorno vorgetragen wurde, bleibt unerwähnt: „Ich habe im Jahr 1959 einen Vortrag gehalten, ‚Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit‘ , in dem ich die These entwickelt habe, daß der Rechtsradikalismus dadurch sich erklärt oder dass das Potential eines solchen Rechtsradikalismus, der damals ja eigentlich noch nicht sichtbar war, dadurch sich erklärt, dass die gesellschaftlichen Voraussetzungen nach wie vor fortbestehen.“ Und dann folgt: „Dabei denke ich in erster Linie an die nach wie vor herrschende Konzentrationstendenz des Kapitals“.
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/aspekte-des-neuen-rechtsradikalismus-von-theodor-w-adorno-a-1280586.html

Am 25.2.2020 stellte Margarete Stokowski ihre Kolumne „ Nach Hanau. Entnazifizierung jetzt!“ auf die Spiegel-Homepage. Zornig beklagt sie:  „Lichterketten, Schweigeminuten – die Rituale nach rechtsterroristischen Anschlägen sind die immergleichen. Und dann ändert sich: nichts. Was kann man dagegen tun?“  Und im Text ballert sie dann eine Salve von Vorschlägen raus, die, präzise auf AfD gezielt, geeignet scheinen, diese Partei loszuwerden.  Zu den gesellschaftlichen Voraussetzungen des Faschismus dringt sie nicht vor. Vom Kapitalismus ist nicht die Rede.

Immerhin kann man bei ihre eine Rückbesinnung lesen, die in den meisten anderen Kommentaren nach Hanau fehlt: „Ein richtig guter erster Schritt wäre, sich daran zu erinnern, was mit Entnazifizierung ursprünglich mal gemeint war: Unter anderem, dass Leute mit Nazi-Gesinnung keine wichtigen Ämter mehr haben dürfen.“
https://www.spiegel.de/kultur/entnazifizierung-jetzt-a-abd8be99-6974-403d-b214-14a6d392ce8e

Im Rückblick auf 1945 lässt sich feststellen, dass es um mehr als um „Entnazifierung“ ging:

Mit dem Potsdamer Abkommen formulierten die Siegermächte Großbritannien, Sowjetunion und USA 1945 politische Grundsätze, die praktisch eine Arbeitsanweisung für den Allierten Kontrollrat in Berlin darstellten:

Denazifizierung (auch: Entnazifizierung)
Es sollte eine „Säuberung“ der deutschen und österreichischen Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Jurisdiktion und Politik von allen Einflüssen des Nationalsozialismus erfolgen.

Demilitarisierung (auch: Entmilitarisierung)
Die Demilitarisierung beziehungsweise Entmilitarisierung hatte den vollständigen Abbau der Armee und die Abschaffung jeglicher deutschen Rüstungsindustrie zum Ziel, damit von Deutschland nie wieder die Gefahr eines militärischen Angriffs ausgehen konnte.

Demokratisierung          
Die endgültige Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage sollte vorbereitet sowie in ganz Deutschland alle demokratischen Parteien und Gewerkschaften erlaubt und gefördert werden.  Das Erziehungswesen in Deutschland sollte so überwacht werden, dass eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht werde.

Dezentralisierung
Ziel der Dezentralisierung war die Übertragung von politischen Aufgaben, Zuständigkeiten, Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen an mittlere (z. B. Provinzen, Distrikte, Regionen) und untere Ebenen (Städte, Gemeinden, Dörfer). In der Wirtschaft sollte die exzessive Konzentration von Macht wie beispielsweise in Kartellen, Syndikaten, Großunternehmen und anderen monopolistischen Wirtschaftsunternehmen beseitigt werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Potsdamer_Abkommen

Die SPD forderte am 15. Juni 1945 im Aufruf zum Neuaufbau ihrer Partei u.a.: „Verstaatlichung der Banken, Versicherungsunternehmen und der Bodenschätze, Verstaatlichung der Bergwerke und der Energiewirtschaft. Erfassung des Großgrundbesitzes und der lebensfähigen Großindustrie und aller Kriegsgewinne für die Zwecke des Wiederaufbaus. Beseitigung des arbeitslosen Einkommens aus Grund und Boden und Miethäusern.“ (Gebhard Diemer: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Auf dem Wege zur Republik 1945-1947, Schöningh, 1979, S. 170)

Das Amt der Militärregierung der USA (O.M.G.U.S.)hatte eine Finanzabteilung, deren Sektion für finanzielle Nachforschungen u.a. Ermittlungen gegen die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die I.G. Farbenindustrie führte. Sie wurden erst 1985 und 1986 veröffentlicht.

Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.): OMGUS. Ermittlungen gegen I. G. Farbenindustrie AG. Übersetzt und bearbeitet von der Dokumentationsstelle zur NS-Sozialpolitik Hamburg. Nördlingen 1986, ISBN 3-891-90019-8

Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.): OMGUS. Ermittlungen gegen die Deutsche Bank. Übersetzt und bearbeitet von der Dokumentationsstelle zur NS-Politik Hamburg. Nördlingen 1985.

Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.): OMGUS. Ermittlungen gegen die Dresdner Bank. Übersetzt und bearbeitet von der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. Nördlingen 1986.

https://de.wikipedia.org/wiki/Office_of_Military_Government_for_Germany_(U.S.)

Aus den Ermittlungen gegen die Deutsche Bank, um ein Beispiel zu geben, folgten die Empfehlungen, daß:

1. die Deutsche Bank liquidiert wird,

2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden,

3, die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden.
http://www.glasnost.de/hist/ns/omgus1.html

Daher bleibt immer wieder festzuhalten was Max Horkheimer 1939 in „Die Juden und Europa“ sagte: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“

26.2.2020