Köln ist überdurchschnittlich

Im Express war das mal so zu lesen: „ Auffällig ist, dass in Köln sowohl die Armutsquote als auch die Zahl der Millionäre über dem Durchschnitt liegen.“

In Köln leben 402 Einkommensmillionäre und über 250.000 Kölnerinnen sind arm. (Ja, wegen der überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten sind in Köln nicht 20% sondern 25% aller Kölnerinnen arm).

Im Aufruf „Gemeinsam zeigt Köln Haltung“ heißt es davon unberührt: „Wir fordern die gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation geflüchteter Menschen. Ihr Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit und menschenwürdigem Wohnen muss sichergestellt sein.“

Zugang Bildung
In Köln fehlen Lehrer und Klassenzimmer. „Mehr als 11 100 Schüler haben im vergangenen Sommer (in NRW) die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen. Wie das Statistische Landesamt am Mittwoch mitteilte, entspricht das 5,7 Prozent der gut 197 000 Schulabsolventen. Die Zahl hat sich leicht erhöht: Im Vorjahr waren es gut 10 800. Die Schüler stehen damit vor einer ungewissen Zukunft und einem erhöhten Risiko, arbeitslos zu werden.

Zugang Arbeit
Die Agentur für Arbeit hat im August 2018 in Köln 46.401 Arbeitslose gezählt.
Unterbeschäftigt, weil sie Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung oder kurzfristig erkrankt sind, waren im gleichen Zeitraum zusätzlich 60.840 Menschen.
Gerhard Schröder: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“

Zugang Gesundheit
Köln ist an 4.Stelle der Städte mit den meisten Drogentoten. In den vergangen 20 Jahren waren es 967. Im vergangen Jahr waren es in Deutschland 1.272.
Drei Millionen Kinder wachsen in Deutschland in Familien mit Suchtproblemen auf.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/Schiffer-Nasserie_8_Thesen.pdf

Zugang Wohnungsmarkt
Mit ca. 460 Euro Monatsmiete zahlen Studenten in Köln für ein WG-Zimmer mehr als im Bundesdurchschnitt. Wenn sie ein Zimmer kriegen. In Köln hat etwa die Hälfte der Menschen ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein, der den Bezug einer geförderten Wohnung erlaubt. Allerdings gibt es nur rund 38.000 solcher Sozialwohnungen. Zum Vergleich: 1990 waren es noch rund 100.000. Die Zahl der Obdachlosen wird auf 3.000 bis 5.000 geschätzt.

Was mit der Forderung nach „gleichberechtigter Teilhabe und Partizipation geflüchteter Menschen“ ganz ignoriert wird, ist dass es Frauen und Männer sind, die flüchten und in einer Gesellschaft ankommen, die patriarchal strukturiert ist. In den Aufsichtsräten der Banken und Konzerne sind Frauen mit 5% vertreten. Ganz unten, in den Gefängnissen, sind gleichfalls die Männer mit 95% nahezu unter sich. Folge einer bisher ausgebliebenen gesellschaftlich relevanten Auseinandersetzung mit dieser hegemonialen Männlichkeit, für die diese Daten beispielhaft stehen, ist nicht zuletzt dieser Dauerbrenner „gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation.“. Nicht einmal genügend Schutz gibt es für die Opfer dieser Gewaltverhältnisse. Der Verein Frauen helfen Frauen teilte diesen Januar mit: „Ein drittes Frauenhaus konnten wir bisher politisch nicht durchsetzen.“

Die Pogrome von Hoyerswerda zwischen dem 17. und 23. September 1991 und in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992 und die Mord-Anschläge in Mölln am 23. November 1992 und Solingen am 29. Mai 1993 führten in Deutschland zu den größten Kundgebungen gegen Rassismus mit mehreren Millionen Teilnehmerinnen. Am 9. November 1992 versammelten sich über 100.000 Menschen auf dem Chlodwigplatz in Köln. Am 6.Dezember 1992 beteiligten über 400.000 Menschen an einer Lichterkette in München.

Am 26. Mai 1993 beschloss der Bundestag die Neuregelung des Asylrechts. Durch die Änderung des Grundgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes (mit Wirkung vom 24. Oktober 2015 umbenannt in Asylgesetz) wurden die Möglichkeiten eingeschränkt, sich erfolgreich auf das Grundrecht auf Asyl zu berufen. Die von Politikern zur Besänftigung der Proteste versprochene Bekämpfung der Fluchtursachen fand nicht statt. Deutschland beteiligt sich wieder an Kriegen, die Rüstungsexporte stiegen auf nie dagewesene Höhen und die Plünderung Afrikas ging weiter.

Aber von Fluchtursachen ist im Aufruf „Gemeinsam zeigt Köln Haltung“ nicht die Rede. Dafür ist zu lesen: „Die EU und Deutschland haben sich von der Geltung des Flüchtlingsschutzes verabschiedet.“ Wie können sich die EU und Deutschland vom Flüchtlingsschutz verabschieden, wenn sie mit ihrer Wirtschafts- und Militärpolitik ständig Fluchtursachen produzieren? Arian Schiffer-Nasserie: „Deutschland ist zentral an der Verursachung der Fluchtgründe beteiligt. Darüber muss man reden, wenn einem wirklich etwas an der Abschaffung des Flüchtlingselends gelegen ist…  …Wenn man sich nicht mehr mit den Ursachen der Notlagen in Deutschland und der Welt befassen will, dann ist Hilfe gar kein erster Schritt zur Überwindung der Probleme, sondern nur die Betreuung des Leids… …Die Ursache liegt in einer Weltordnung, die darauf ausgelegt ist, dass die erfolgreichen kapitalistischen Staaten Westeuropas und Nordamerikas den Nutzen aus der Welt ziehen und die Armutsresultate, die sie dabei überall produzieren, und das Elend, das dabei notwendig zustande kommt, bei sich nicht haben wollen.“

Wer nicht will, dass sich arme Zuwanderinnen und arme Einheimische bei uns als Feinde gegenüberstehen, muss sich für die Überwindung der Armut engagieren. Politkitsch wie „Liebe ist stärker als Hass“, „gemeinsam sind wir Köln“ oder „wir sind 1“ versöhnt mit dem was ist.

10.9.2018 Klaus Jünschke