Der Kölner Stadt-Anzeiger hat in der heutigen Ausgabe entdeckt, dass „die Bekämpfung von sozialer Ungerechtigkeit überhaupt kein kommunalpolitisches Thema“ ist. Dem folgt aber keine harte Kritik an den Parteien im Rat und der Verwaltung, denn „die Entscheidungen darüber, wer wieviel Geld in den Taschen hat, fallen nicht im Rathaus, sondern vor allem auf Bundesebene.“
Die Zeitung, die einer der reichsten Familien Kölns gehört, gibt eine Überblick über die auch in Köln weiter aufgehende Schere zwischen arm und reich:
An der Spitze der Einkommenspyramide lokalisieren sie 53.000 Personen, das sind 6 % der Geld verdienenden Einwohner Kölns. Darunter wird die 30 % der Bevölkerung umfassende obere Mittelschicht ausgemacht mit 260.000 Personen, gefolgt von der 41% starken unteren Mittelschicht mit 353.00 Personen. Ganz unten finden mit 202.000 Personen 23% der Kölnerinnen und Kölner. Sie werden nicht als Unterschicht in der Logik der oberen Klassifizierungen ausgewiesen sondern so: „Armut (Gefährdung)“. Damit sind in der Tradition der Armutsforschung Frauen und Männer gemeint, deren monatliches Einkommen „weniger als 60% des Einkommensmedians von 1780 Euro“ ausmacht.
Helmut Frangenberg macht in seinem Beitrag Vorschläge zur besseren Verwaltung der Armut. So plädiert er für den Ausbau der „Sozialraumkoordination“. Kein Mensch in den elf bestehenden „Sozialraumgebieten“ spricht von seinem Veedel oder Stadtteil von „Sozialraum“. Der Begriff kommt aus der Wirtschaft, wo er für die Räume mit den Duschen und Umkleidekabinen noch immer benutzt wird. Mit der Ökonomisierung der Sozialpolitik und der Agenda 10 wurde er von professionellen Armutsverwaltern in die sozialarbeiterische Gemeinwesenarbeit eingeführt. Er steht für das Elend einer entpolitisierten Sozialarbeit, in der Helfer und Klientel unterschiedliche Sprachen sprechen, die Profis aber behaupten, sie stünden „für Kommunikation in Augenhöhe.“
Wenn es in Köln keine wirkliche Armut, sondern nur „Armut (Gefährdung)“ gibt, warum überleben dann Menschen mit ihrem Hartz-IV-Bezügen nur dank der Tafeln und der Kleiderkammern?
Seit Karl Marx könnte es zur Allgemeinbildung gehören, dass der kapitalistische Reichtum auf der Armut jener beruht, die ihn als Lohnabhängige herstellen, vermehren und verwalten. Arm sind sie, weil sie ausgeschlossen sind von den Produktionsmitteln. Das begründet überhaupt ihre Lohnabhängigkeit. In diesem Sinn sind sie objektiv absolut arm.
Stadtanzeiger und viele Armutsforscher verharmlosen die gegensätzlichen Einkommensquellen von Kapital und Lohnarbeit zu vermeintlich gleichartigen „Einkommensbeziehern“. Damit hat auch die Stadt keinen Klassencharakter und die Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeit kann nach Berlin ausgebürgert werden. Damit bei uns in Kölle alles bunt bleiben kann.
https://www.ksta.de/koeln/soziale-gerechtigkeit-in-koeln-die-schere-zwischen-arm-und-reich-wird-groesser-31798494
28.12.2018
Klaus Jünschke