Kapitalismus muss weg

Gerhard Schröder (SPD) in seiner Regierungserklärung am 14.3.2003: „Niemanden aber wird künftig gestattet sein, sich zulasten der Gemeinschaft zurückzulehnen. Wer zumutbare Arbeit ablehnt – wir werden die Zumutbarkeitskriterien verändern – der wird mit Sanktionen rechnen müssen.“

Begeisterung bei der FDP: „Die Treffsicherheit des Sozialstaats muss größer werden… ..Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit.“ (Guido Westerwelle am 14.3.2003 im Bundestag) (Der soziale Staat S. 263)

Die durch die Agenda 2010 „neu gewonnene, rechtlich garantierte Freiheit in der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eröffnet Unternehmern aller Art bisher ungeahnte Möglichkeiten der Ausbeutung.“

„Zehn Jahre später lautet die Bilanz der Agenda: Deutschland hat den angestrebten Konkurrenzerfolg in Europa und auf dem Weltmarkt erreicht. Deutschland ist bis 2009 und ab 2012 wieder Exportweltmeister, die führende Ökonomie der EU, die alle anderen europäischen Länder niederkonkurriert und das Land, das vergleichsweise gut durch die seit 2008 manifeste Finanzkrise kommt. Die finanziellen Schäden für die lohnabhängige Bevölkerung sind beträchtlich. Gerhard Schröder lobt sich (im Januar 2005, K.J.) beim Weltwirtschaftsforum in Davos dafür ‚den größten Niedriglohnsektor Europas‘ herbeigeführt zu haben.“ (Der soziale Staat, S.265)

Ohne wirksame Konsequenzen wird seither das Auseinandergehen der Schere zwischen arm und reich beklagt:

„Im Jahr 2013 kamen die 10 Prozent Bestverdiener auf 40 Prozent des Gesamteinkommens, die untere Hälfte der Bevölkerung dagegen nur auf 17 Prozent – das ist das gleiche Gefälle wie im Jahr 1913, wie aus einer Untersuchung von Forschern um den französischen Ökonomen Thomas Piketty hervorgeht.“
https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/article171574131/Einkommens-Ungleichheit-in-Deutschland-so-gross-wie-1913.html

Die finanziellen Schäden für die lohnabhängige Bevölkerung sind mit den immer schlechter werdenden Wahlergebnissen inzwischen auch in der SPD angekommen. Thomas Kutschaty, der SPD-Fraktionschef in NRW. ist für eine Abkehr vom Hartz-IV-System. Angesichts von 2,6 Millionen Aufstockern fordert er eine Erhöhung der Mindestlöhne. „Dass die Steuerzahler die Einkommen von Geringverdienern aufstocken müssen, obwohl viele von ihnen Vollzeit arbeiten, ist ohnehin ein sozialpolitischer Skandal.“ (Kölner Stadt-Anzeiger, 27.12.2018, S.8)

Gegen diese Rückbesinnung in der SPD gibt es Widerstände in der eigenen Partei, von der FDP und der CDU/CSU und natürlich aus der Wirtschaft.  Ohne die Überwindung dieser Widerstände kann es für die Lohnabhängigen nur schlimmer werden:

„Der Sozialstaat muss dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zufolge tiefgreifend reformiert werden. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, in Deutschland habe sich „eine Form der Vollkaskomentalität ausgebildet, wonach der Staat alles und überall leisten kann und für jedes individuelle Problem eine Lösung bereithalten muss“. Das könne auf Dauer nicht funktionieren.“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/staedtebund-geschaeftsfuehrer-kritisiert-vollkasko-mentalitaet-der-deutschen-a-1245372.html

Was am Anfang der Agenda 2010 zu hören war, die Denunziation von Arbeitslosen in Politik und Bild-Zeitung, findet in der Behauptung einer „Vollkaskomentalität“ eine Fortsetzung, mit der verhindert werden soll, dass die Ursachen der vielen sozialen Notlagen in der vielgelobten Marktwirtschaft öffentlich zur Sprache kommen.

Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Kaiser, Gott und auch kein sozialer Staat. (Der soziale Staat, S. 285)

27.12.2018
Klaus Jünschke