Zur Verleihung der Alternativen Kölner Ehrenbürgerschaft an Gerhart Baum

Gerhart Baum traf ich am 19. November 1987 zum ersten Mal. Da war ich seit 15 ½ Jahre in Haft und gerade urlaubsberechtigt geworden. Das Liberale Zentrum Köln hatte mich zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Thema war 10 Jahre nach dem Deutschen Herbst  – die RAF und ihre Folgen.
https://lz-koeln.de/archiv.php?jahr=1987

Moderiert von Volker Happe von monitor diskutieren  mit mir Antje Vollmer, Stefan Aust und Gerhart Baum. Ich hatte erklärt, dass es ohne Isolationshaft – die Justiz spricht von strenger Einzelhaft – keine 2. Generation der RAF gegeben hätte. Fast alle, die sich nach 1973 der RAF anschlossen, waren zuvor in Komitees gegen die Isolationshaft aktiv. Antje Vollmer und Stefan Aust stimmten zu, und  überraschender Weise auch Gerhart Baum. Er sagte, dass die Isolationshaft ein Fehler war. Bis heute hat es von keinem anderen Politiker eine ähnliche selbstkritische Äußerung gegeben.
https://taz.de/Versoehnung-mit-Pistole-am-Kopf/!1857111/

Die unversöhnlichen Auseinandersetzungen um das Wort Isolationsfolter kann man sich heute kaum noch vorstellen.

Aber 2011 kam es zur Ächtung der strengen Einzelhaft durch Juan Ernesto Mendez den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen gegen Folter und durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) Die strenge Einzelhaft sollte 14 Tage nicht übersteigen.
https://magazin.hiv/magazin/isolation-toetet-einzelhaft/

​Und in Folge die bundesweiten Kontaktbeschränkung 2020, erlebten wir eine noch nie dagewesen Aufklärung über die Folgen sozialer Isolation. In allen Medien kamen Neurologen, Psychologen, Psychiater und andere Experten zu Wort. Ich selbst habe gelernt, dass es eine Haptikforschung gibt, in der es um die Bedeutung von Berührungen geht.
https://www.uniklinikum-leipzig.de/Seiten/prof-martin-grunwald.aspx.
Ein Psychiater aus den USA wurde im Spiegel mit den Worten „Isolation tötet“ zitiert. (Der Spiegel, Nr. 21/16.5.2020, S.116)

Die Gefangenen und der von sozialen Kontaktbeschränkungen geprägte normale Strafvollzug kamen in dieser Aufklärungskampagne nicht vor. 

Auch nicht wenn es um Julian Assange geht und seine jahrelange Isolationshaft.  Für Gerhart Baum  gehört Julian Assange nicht ins Gefängnis. Dem Grundrecht der Pressefreiheit muss Vorrang gegeben werden..
https://freeassange.eu/#aktionsuebersicht

Als ich im Rahmen meiner Arbeit beim Kölner Appell gegen Rassismus mit Christiane Ensslin und Jörg Hauenstein 2006 eine Ausstellung mit einer nachgebauten Gefängniszelle organisierte, übernahm Gerhart Baum die Schirmherrschaft. Thema der Ausstellung war „Menschen statt Mauern – Für ein Europa ohne Jugendgefängnisse“. Er sprach bei mehreren Ausstellungseröffnungen.  http://jugendliche-in-haft.de/

Als Gerhart Baum 2009 den Erich-Fromm-Preis verliehen bekam, gab er das Preisgeld an den Kölner Appell und den Vringstreff weiter.
https://www.kirche-koeln.de/gerhart-baum-besuchte-mit-seiner-frau-renate-den-vringstreff-und-spendete-3-000-euro-aus-dem-ihm-kuerzlich-verliehenen-erich-fromm-preis/

Aktuell hat der Vringstreff die Initiative „Freikaufen Köln“ entwickelt, um, Gefangene freizukaufen, die nur in Haft sind, weil sie eine Geldstrafe wegen Fahren ohne Ticket nicht bezahlen konnten. Und wieder ist Gerhart Baum zur Stelle und unterstützt „Freikaufen Köln“ und die Abschaffung der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe. Und wieder ist es seine Partei, die FDP, die ihm nicht folgen mag. Statt die Armut zu bekämpfen, hält die FDP an der Bestrafung der der Ärmsten der Armen fest.
https://vringstreff.de/freikaufen-koeln/

Gerhart Baum habe ich als einen anständigen hilfsbereiten Menschen erlebt.

Köln, 4. Juni 2023