„Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ – die Verleugneten Opfer des Nationalsozialismus und der Kommunalwahlkampf in Köln
Am 13. Februar 2020 beschließt der Deutsche Bundestag die Anerkennung der als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« Verfolgten als Opfer des Nationalsozialismus – 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Dem Antrag der Koalition stimmen neben den damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD auch die Oppositionsfraktionen der FDP, des Bündnis 90/Die Grünen und der Linken zu. Nur die AfD-Fraktion enthält sich in der Abstimmung.
https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2020/kw07-de-ns-verfolgte-680750
Erst seither gilt in der Bundesrepublik, dass niemand zu Recht in einem Konzentrationslager war. Damit die tiefverwurzelten Vorurteile und Stigmatisierungen gegen diese Randgruppen der Gesellschaft bearbeitet und aufgelöst werden können, hat der Bundestag die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg mit der Erstellung einer Ausstellung beauftragt. Die Ausstellung wurde am 10. Oktober 2024 in Berlin eröffnet und steht zur Zeit in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Im Oktober soll sie nach Köln kommen.
https://www.die-verleugneten.de/
Die Abwertung und Ausgrenzung schwacher Gruppen haben die Nazis nicht erfunden. Der Soziologe Christian Sigrist, der zur Entstehung von Herrschaft geforscht hat: „Allgemein lässt sich die Entstehung von Paria-Gruppen als Ergebnis von Herrschaftsbildung und wachsender ökonomischer Ungleichheit erklären. Die religiöse Überhöhung von Herrschaftsinstanzen findet ihren Gegenpart in der Dämonisierung von Randgruppen.“ Diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist so alt wie das Patriarchat, aber weniger im gesellschaftlichen Bewusstsein. Um diese tiefsitzenden Einstellungen gegenüber Randgruppen ernsthaft zu überwinden, hätte der Bundestag sie gleichzeitig in den größten 100 Städten der Bundesrepublik an den Start bringen müssen – um von dort aus durch die umliegenden kleineren Städte und Gemeinden zu wandern.
Ein kleiner Teil der „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ waren Obdachlose und Suchtkranke. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe beobachtet und registriert seit 1989 die Gewalt unter und gegen wohnungslose Menschen. Bis 2024 registrierten sie 299 Todesfälle durch nicht-wohnungslose Menschen und 365 Todesfälle durch wohnungslose Menschen.
https://www.bagw.de/fileadmin/bagw/media/Doc/STA/STA_Gewalt_seit1989.pdf
In der Kriminologie wurde schon lange erkannt, dass der wichtigste Generator von Gewalt asymmetrischen Sozialbeziehungen sind. Beherrscht wird aber die öffentliche Gewaltdebatte nicht von Forderungen nach Abbau von Macht und Hierarchien, sondern vom Ruf nach mehr Polizei und härteren Gesetzen.
Mit der zunehmenden sozialen Ungleichheit sind die Reichen immer reicher und die Armen immer mehr und immer ärmer geworden. Ein sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung sind die wachsenden Zahlen von Obdachlosen, die auf den Straßen zu überleben versuchen. Dasselbe Phänomen auch hier: die öffentliche Debatte wird nicht vom Ruf nach Abbau und Überwindung der sozialen Ungleichheit bestimmt, sondern davon, dass Straßen und Plätze immer mehr verwahrlosen und von gefährlichen Gestalten beherrscht werden, die von den viel zu wenigen Ordnungskräften und Polizeibeamten nicht mehr zu kontrollieren sind.
15. Mai 2025
Klaus Jünschke
PS
Die Fotos von Petra Metzger sind aus dem Buch RatSchläge, das im Weissmann-Verlag erschienen ist: https://weissmann-verlag.de/produkt/ratschlaege/