Der Kölner Stadt-Anzeiger am 16.07.2025: Sie sagten vorhin, Streetwork, Ordnungsamt, Polizei und Rettungsdienst müssten bei dem Thema vertrauensvoll zusammenarbeiten. Tun sie das in Köln etwa nicht?
Polizeipräsident Hermanns: „Ich sage es mal so: Wir können uns da alle noch weiterentwickeln. Zwischen Streetwork und Polizei gibt es natürliche Hemmnisse. Die Streetworker sagen, sie können das Vertrauen ihrer Klientel nicht gewinnen, wenn sie gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen gesehen werden. Die gesetzlichen Vorgaben sehen aber genau das vor: dass wir ganz eng zusammenarbeiten. Für mich ist glasklar, dass jemand, der Hilfe bekommt, sich auf der anderen Seite auch regelkonform verhalten muss. Und das geht nur, wenn Streetwork und Polizei auch gemeinsam auftreten und das gemeinsam regelkonforme Verhalten auch gemeinsam einfordern. Wir kooperieren grundsätzlich schon gut, aber aus meiner Sicht sollten wir auch für die Konsumenten noch sichtbarer als verschweißte Einheit auftreten.“
https://www.ksta.de/koeln%2Fkoelner-polizeipraesident-so-funktioniert-der-konsumraum-am-neumarkt-nicht-1065795
Polizeipräsident Hermanns weiß, dass mittellose Drogenkranke sich durch Diebstahl und andere strafbare Handlungen finanzieren, wenn sie das Geld für die Drogen nicht allein mit Betteln oder anderen legalen Tätigkeiten zusammenkriegen. Und trotzdem behauptet er „Für mich ist glasklar, dass jemand der Hilfe bekommt, sich auf der anderen Seite auch regelkonform verhalten muss.“ Da die Sucht nicht zur Disposition steht, können sie sich auch nicht „regelkonform verhalten“.
Aber das hat den Polizeireporter des Stadt-Anzeigers nicht interessiert. „Es ist höchst erstaunlich, in welcher Weise gerade die Sicherheitspolitik kein kontroverses Thema mehr ist“, stellte Fritz Sack schon vor Jahren fest und kam zu dem Befund, dass die Herrschaft über die Wirklichkeit die Polizei hat
https://www.telepolis.de/features/Die-Herrschaft-ueber-die-Wirklichkeit-hat-die-Polizei-3849174.html?seite=all
Die gerade erschienene Ausgabe 177 der Zeitschrift Widersprüche hat das Thema „Soziale Arbeit und Polizei“ und will sich damit nicht abfinden. In der Einleitung steht:
Kritisiert werden diese Entwicklungen im sozialarbeiterischen Diskurs als Subordination der Sozialen Arbeit unter polizeiliche Rationalitäten (Fritsch/Paustian 2019: 212) und Gefahr einer Verwässerung der Arbeitsfelder und ihrer Differenzen (Pütter 2022: 54 ff ) – Ziegler (2001) spricht zugespitzt von „Crimefighters United“ In dieser Entwicklung wird sowohl eine „Verpolizeilichung der Sozialen Arbeit“ (ebd ) als auch eine „Versozialarbeiterung“ und „Sozialprofessionalisierung der Polizei“ (Turba 2018: 5) diagnostiziert: „Während sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter immer mehr als Kontrolleure verstehen, leisten Polizistinnen und Polizisten verstärkt Beziehungsarbeit“ (Fritsch 2019: 171
Und:
…die Polizei agiert aufgrund kriminalisierter Handlungen bzw akuter Gefahrenlagen, die situativ abgewehrt bzw entschärft oder verfolgt werden müssen, während Soziale Arbeit aufgrund von Konflikten mit Anforderungen der Gesellschaft bzw des Alltags tätig wird und auf die Erweiterung von Handlungsfähigkeiten zielt Zudem ist das strukturelle Verhältnis zwischen Polizei und Sozialer Arbeit fraglos asymmetrisch: sowohl mit Blick auf die „unterschiedlich verteilten Machtmittel[ ] und Legitimierungen“ (Schuhmacher 2021: 1788) – zentral hinsichtlich des Gewaltmonopols, das das Handeln der Polizei prägt – als auch in den Organisationsprinzipien und unterschiedlichen Graden der relativen Autonomie Nicht zuletzt ist die Polizei aus ebenso nachvollziehbaren Gründen dem Strafverfolgungszwang unterworfen wie Sozialarbeiter:innen der Schweigepflicht unterliegen. https://www.dampfboot-verlag.de/en/buecher/soziale-arbeit-und-polizei
In Köln wird sich in der Suche nach Lösungen für die Konflikte um die Drogenszene am Neumarkt zeigen müssen, wer den Umgang mit den Drogenkranken bestimmt – für eine Stadt ohne Drogentote.
5. Oktober 2025
Klaus Jünschke