„Immer feste druff“  (Kaiser Wilhelm II)

Kölns Polizeipräsident Johannes Hermanns berichtet in der Novemberausgabe von „Eigentum aktuell“, der Monatszeitung des „Kölner Haus- und Grundbesitzervereins“ was die Polizei für „Sicherheit und Vertrauen“ leistet. Zwischen Mai und September sind danach seine Polizistinnen und Polizisten am Neumarkt, Ebertplatz, Kalk und Wiener Platz „über 12.000 mal tätig geworden“.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen haben in dieser Zeit nahezu 9.500 Platzverweise ausgesprochen, mehr als 200 Personen in Gewahrsam genommen und fast ebenso viele festgenommen. Besonders deutlich wird dabei die Wirksamkeit unserer Arbeit zur Bekämpfung der Drogenkriminalität: Auf die rund 1.500 Strafanzeigen entfällt etwa ein Drittel auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.“

Was das mit den Drogenkranken und Obdachlosen gemacht hat, ist seinem Bericht nicht zu entnehmen. Seit vielen Jahren sind die Ärmsten der Armen, die Wohnungslosen und Obdachlosen die am stärksten kriminalisierte soziale Gruppe, sie sind in den Gefängnissen extrem überrepräsentiert. Offensichtlich kommt das nicht daher, dass sie schlechtere Menschen wären, als die Durchschnittbürger, sondern weil sie schlechter dran sind. Marion Müller kam in ihrer Dissertation „Kriminalität, Kriminalisierung und Wohnungslosigkeit“ zu genau diesem Befund: „Ein einseitiger, stigmatisierender Blickwinkel à la Wohnungslose trinken, betteln und klauen, ist nicht haltbar. Genauso wenig sollte man sich allerdings dazu verleiten lassen, ausschließlich einen mitleidigen Blickwinkel anzusetzen. Beide Sichtweisen versperren die Sicht auf wohnungslose Menschen als die individuellen Personen, die sie sind: weder Täter noch Opfer ihrer Situation, aber umrahmt von extremen Bedingungen, die ihren Handlungsentwürfen und -möglichkeiten entgegenstehen können.“

https://d-nb.info/98603407X/34

Polizeiforscher Joachim Häfele: „Die Annahme, dass die Polizei nicht besser und nicht schlechter als die Gesellschaft ist und es deswegen natürlich erscheint, dass es auch dort problematische Einstellungen gibt, ist aus unserer Sicht sehr problematisch. Die Beschäftigten der Polizei weisen einen deutlich höheren Bildungsdurchschnitt als die Gesamtbevölkerung auf. Außerdem tragen Sie eine Waffe und haben eine Gewaltlizenz. Also haben sie auch eine besondere Verantwortung für ihr Handeln. Sie haben den Auftrag, für die Sicherheit aller Gesellschaftsmitglieder zu sorgen – gegenüber obdachlosenfeindlichen Einstellungen darf es deshalb in der Polizei keinerlei Toleranz geben.“ https://www.hinzundkunzt.de/stadtgespraech-wie-obdachlosenfeindlich-ist-die-polizei/

Vor dreißig Jahren schien es in der Polizei dafür mehr Einsicht gegeben zu haben, als heute in Köln. Am 27.01.1997 berichtete der Spiegel in seiner Titelgeschichte, dass viele Polizeipräsidenten für die Abgabe von Heroin an die Süchtigen sind, auch Kölns damaliger Polizeipräsident Roters zählte zu den Befürwortern. „Junkie-Jogging zu betreiben belastet viele Polizisten. „Die Gruppe der Schwerstabhängigen, teilweise psychisch labil, HIVinfiziert, von einer Ecke zur anderen zu vertreiben, ohne Lösungsmöglichkeiten, weil sie weder für Methadon-Programme noch für Langzeittherapien zu gewinnen sind, führt zu großen Gewissenskonflikten bei unseren Kollegen auf der Straße“, sagt der Kölner Polizeipräsident Roters.“

»Mit den Jahren ist bei uns die Einsicht gewachsen, daß wir die Drogenabhängigen in erster Linie als Kranke betrachten müssen«, sagt der Polizei-Vize Peter Frerichs (parteilos), der Frankfurts neue Wege konzipiert hat. Zu den Skrupeln, gegen Kranke vorzugehen, kommt für die Polizisten auf der Straße die prekäre Frage: Sollen sie einem Junkie den Stoff abnehmen? Wenn sie es nicht tun, verstoßen sie gegen das Gesetz und begehen Strafvereitelung im Amt. Wenn sie es aber tun, provozieren sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen weiteren Fall von Beschaffungskriminalität, der unterbliebe, wenn sie es nicht täten. »Das ist nicht mehr zumutbar«, sagt Kölns Polizeichef Roters.
https://www.spiegel.de/politik/ein-tabu-wird-gebrochen-a-7f171268-0002-0001-0000-000008651170?context=issue  

Was der gesellschaftliche und staatliche Umgang mit den Obdachlosen macht, ist bekannt, sie sterben 30 Jahre früher als der Bundesdurchschnitt. Was die „Superstreife“ aus KVB, Polizei und Ordnungsamt mit den uniformierten Frauen und Männer macht, die seit Mai über 9.500 Platzverweise erteilt haben, ist nicht bekannt.

27. Mai 2025
Klaus Jünschke