Ebertplatz- soll der dumme Kleinkrieg zwischen Polizei und Drogengebrauchern und ihren Dealern andauern?

Im Stadt-Anzeiger sorgt man sich um den Ebertplatz – aber nicht um die durch die reaktionäre Drogenpolitik kriminalisierten Menschen, die Drogengebraucher und ihre Dealer. Die kommen nur als „Kriminalität“ vor.

Die Künstler*innen und die Bürger*innen, die mit verschiedensten Aktivitäten dazu beigetragen haben, den Platz zu beleben, müssen sich fragen lassen, ob es sein kann, dass es nur „weiter so“ gehen soll oder ob es neben Kunstaktionen und Blumenrabatten, auch etwas Besseres gibt, als die Dealer und ihre Kunden nur zu vertreiben.
https://www.ksta.de/koeln/koelner-sorgenkind-was-passiert–wenn-der-brunnen-am-ebertplatz-abgeschaltet-wird–31518490

31.10.2018
Klaus Jünschke

PS

Hierzu nochmal mein vor einem Jahr veröffentlichter Beitrag.

20 vertane Jahre in der Drogenhilfe

Wer ist hier verantwortlich: In den fünf Städten Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München wurden in den Jahren 1997 bis 2016 über 7.266 Drogentote gezählt, davon 917 in Köln.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4976/umfrage/drogentote-entwicklung-in-deutschen-grossstaedten/

1997 forderten Polizeipräsidenten Heroin vom Staat.

Am 27.01.1997 berichtete der Spiegel in seiner Titelgeschichte, dass viele Polizeipräsidenten für die Abgabe von Heroin an die Süchtigen sind, auch Kölns damaliger Polizeipräsident Roters zählte zu den Befürwortern.

„Junkie-Jogging zu betreiben belastet viele Polizisten. „Die Gruppe der Schwerstabhängigen, teilweise psychisch labil, HIVinfiziert, von einer Ecke zur anderen zu vertreiben, ohne Lösungsmöglichkeiten, weil sie weder für Methadon-Programme noch für Langzeittherapien zu gewinnen sind, führt zu großen Gewissenskonflikten bei unseren Kollegen auf der Straße“, sagt der Kölner Polizeipräsident Roters.“

„Nachdem der Gießener Kriminologieprofessor Arthur Kreuzer hundert Junkies befragen ließ, rechnete er hoch, daß 45 Prozent der Autoaufbrüche, 37 Prozent der Wohnungseinbrüche und 20 Prozent der Raubüberfälle auf das Konto von Süchtigen gehen. In den Städten ergab sich die Faustregel, daß den Drogen ein Drittel der Eigentumskriminalität zuzurechnen ist.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8651170.html

Auch Jörn Foegen, der damalige Leiter der JVA Köln, sprach sich 1997 für die Abgabe von Heroin aus: „Entscheidend ist, daß wir sagen, ein Drogenabhängiger ist krank. Dann frag ich mich, was soll der denn bei mir? Bin ich leitender Arzt oder bin ich Knastdirektor? Wenn die krank sind, dann muß ich ihnen das Medikament geben. Das ist im Moment die Droge. Ein Schweizer Versuch hat ja sogar gezeigt, daß es besser ist, gleich anständiges Heroin zu geben anstatt Methadon. Gäbe es das notwendige Suchtmittel unter ärztlicher Begleitung in anderer Form, dann hätten wir beides, den vernünftigen Umgang mit der Droge und das Infektionsproblem gelöst.“ https://www.gruenekoeln.de/pages/rr/105/rr10507.htm

Von 2002 bis 2008 kam es in Deutschland in sieben Städten zu einem Modellprojekt. Auch in Köln wurden an die 50 Abhängige mit Heroin behandelt: „Im Rahmen des bundesdeutschen Modellprojekts zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger erhalten Drogenabhängige, bei denen bisherige Drogentherapien nicht erfolgreich waren oder bei denen die Methadonsubstitution nicht befriedigend verläuft, versuchsweise injizierbares Heroin als Medikament; eine Kontrollgruppe bekommt parallel die Ersatzdroge Methadon. Beide Gruppen werden regelmäßig medizinisch betreut und erhalten eine psychosoziale Begleittherapie.“

„Der Gesundheitszustand der Patienten hat sich unter der Diamorphinbehandlung außerordentlich verbessert.“

Am 28.05.2009 wird Diamorphin als Medikament zugelassen.

„Mit breiter Mehrheit hat der Deutsche Bundestag heute ein Gesetz beschlossen, das die rechtlichen Voraussetzungen für die Überführung der diamorphingestützten Behandlung in die Regelversorgung schafft. Das Gesetz regelt u.a., dass Diamorphin (pharmazeutisch hergestelltes Heroin) – unter engen Voraussetzungen – als Betäubungsmittel im Rahmen der Substitutionsbehandlung von Schwerstopiatabhängigen verschreibungsfähig wird.“
http://www.heroinstudie.de/

Heroin im Knast
Seit 2011 sieht eine Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg vor, dass geeignete Gefangene an einer „Diamorphin-Substitution“ teilnehmen können sollen. Bis dato umgesetzt wurde die Vorschrift nicht.
http://annefreiburg.blogsport.de/2013/11/08/heroin-im-knast/

2017: Köln hat nicht einmal genug Drogenkonsumräume
Bettina Janacek am 20.05.2017 im Stadt-Anzeiger in ihrem Kommentar zur Diskussion um den geplanten Drogenkonsumraum: „Ein kurzer Blick ins Land macht deutlich: Köln ist, was die Versorgung mit Drogenkonsumräumen angeht, Schlusslicht. Düsseldorf hat zehn, Wuppertal elf und Dortmund gar 18 – alles Städte mit niedrigerer Bevölkerungszahl.“

Wieso stellt sich überhaupt 10 Jahre nach dem erfolgreichen Heroinprojekt in Köln immer noch die Frage nach Drogenkonsumräumen?

Wer ist dafür verantwortlich, dass der dumme Kleinkrieg zwischen Polizei und Süchtigen andauert?

Portugal – eine andere Antwort
João Goulão, Leiter des portugiesischen Instituts für Drogen und Drogenabhängigkeit, hat Anfang des Jahrtausends in seinem Land die Entkriminalisierung des Drogenkonsums erstritten. Was passiert, wenn in einem Land alle Drogen legalisiert werden, kann seit 17 Jahren in Portugal studiert werden.
http://derstandard.at/2000042539163/Was-passiert-wenn-ein-Land-alle-Drogen-legalisiert

28.11.2017
Klaus Jünschke

„Ehrenamtliche – Ihr seid umzingelt“

„Sozialpolitik in Deutschland ist ein Armutszeugnis über die materielle Lebenslage der Lohnabhängigen“ (Arian Schiffer-Nasserie)

Mit dem Abbau des Sozialstaats, der Verarmung von Millionen durch Hartz IV und der Schaffung eines „der besten Niedriglohnsektoren, den es in Europa gibt“ (Gerhard Schröder), wurde der Ruf nach mehr Bürgerengagement immer lauter. Die Regierenden in Bund, Länder und Gemeinden sowie die profitierenden Unternehmen und viele ihrer Stiftungen haben erfolgreich öffentliche Aufgaben auf die Schultern von Freiwilligen verlagert – kostengünstig .

Und fast alle machen mit:
über 500 Freiwilligenagenturen
und Engagement-Botschafter rühren die Werbetrommel für
Ehrenamtstage
über 680 Ehrenamtspreise
Ehrenamtsnadeln
Ehrenamtskarten
die Woche des bürgerschaftlichen Engagements
der Tag des Ehrenamts
nationale Jahre der Freiwilligenarbeit
internationale Jahre der Freiwilligenarbeit
und als Höhepunkt den Deutschen Engagementpreis verliehen am Deutschen Engagement-Tag
http://shop.papyrossa.de/Pinl-Claudia-Ein-Cappuccino-fuer-die-Armen

Die Alternative: 7.200 Euro für alle
Der Präsident des Deutschen Fußballbundes Reinhard Grindel, der laut DFB-Satzung ein Ehrenamt bekleidet, erhält eine monatliche Aufwandsentschädigung von 7.200 Euro .
Aus: Claudia Pinl: Ein Cappuccino für die Armen. Kritik der Spende- und Ehrenamtsökonomie. 2018 Köln, PapyRossa-Verlag.
http://shop.papyrossa.de/Pinl-Claudia-Ein-Cappuccino-fuer-die-Armen

Grindel (CDU) war von 2002 bis 2016 Mitglied des Deutschen Bundestages. 2013 hielt Grindel in der Diskussion des Bundestags zum Optionsmodell eine Rede, in der er ausführte: „Wer Ja zu Deutschland sagt, wer gerne bei uns leben will, von dem kann ich auch die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft unter Ablegung seiner alten Staatsbürgerschaft erwarten“. Özcan Mutlu beschwerte sich mit Ekin Deligöz und 37 weiteren Unterzeichnern im Juli 2013 in einem Offenen Brief beim DFB[8][9] und fasste 2018 zusammen: „Was Grindel da von sich gab, war nicht nur tendenziös. Es war reinster AfD-Sprech, bevor es diese Partei überhaupt gab.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Grindel

28.10.2018
Klaus Jünschke

Erinnerungskultur ohne Aufarbeitung der Vergangenheit

Der Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald vom 19. April 1945 endete mit den Worten:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach: WIR SCHWÖREN!“ Buchenwald/Weimar 19.April 1945
https://dasjahr1945.de/der-schwur-von-buchenwald/

Im Potsdamer Abkommen, das vom 17. Juli – 2. August 1945 beraten wurde, sind Grundsätze zur Behandlung Deutschlands festgelegt worden und es wurden Kriterien für eine antifaschistische und friedliche Perspektive formuliert, wie z.B. Forderungen nach Auflösung hegemonialer Wirtschaftsstrukturen, Forderungen nach wirklicher demokratischer Partizipation, Entmilitarisierung u.a.
Der antifaschistisch-demokratische Neubeginn sollte sich an den „großen D’s“ orientieren: Demokratisierung, Demilitarisierung, Demonopolisierung, Denazifizierung, Dezentralisierung.
https://dasjahr1945.de/das-potsdamer-abkommen/

Dazu ist es nicht gekommen. 

Im Juni 1947 legte eine Sonderkommission der amerikanischen Militärverwaltung (OMGUS — Office of Military Government for Germany – U.S.) einen Untersuchungsbericht über die Deutsche Bank vor.

Die OMGUS-Untersuchungsgruppe, das „Deutsche Bank Team“, war dem Finanzministerium unter Henry Morgenthau angegliedert und bestand aus jüdischen deutschen Emigranten, amerikanischen Finanzwissenschaftlern und Historikern. Dieser Gruppe war es nach der faschistischen Niederlage 1945 einige Monate lang möglich, relativ frei in Deutschland zu forschen, während die Nürnberger Prozesse vorbereitet wurden. Ihr oberster Dienstherr, der amerikanische Finanzminister Morgenthau, verfolgte ein Konzept, Deutschland zu entmilitarisieren, die Montanindustrieanlagen zu demontieren und die großen Banken und Industriekonzerne zu entflechten.

Der OMGUS-Bericht verschwand dann 1947 in der Versenkung, nachdem in den USA die Truman-Administration Roosevelt abgelöst hatte und Deutschlands wirtschaftlicher Wiederaufbau einen wichtigen Faktor im beginnenden Kalten Krieg ausmachte.

Der Bericht des „Deutsche Bank Teams“ wies nach, daß die Führer dieses Bankgiganten die engsten politischen Beziehungen zum Machtzentrum des „Dritten Reiches“ hatten, und daß führende Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bank wie Emil G. von Stauß, Philipp Reemtsma, Carl Friedrich von Siemens oder Albert Pietsch Hitler bereits lange vor dessen Machtantritt finanziert hatten. Der Bericht legte die Mechanismen bloß, durch welche die Bank das Finanzgeflecht des Reichsgebiets kontrollierte und ihre Kontrolle auch über die Industrie ausübte. Er zeigte, welche Rolle sie bei der Wiederaufrüstung und Kriegsvorbereitung gespielt hatte und wie sie die „Arisierung der Wirtschaft“ vorantrieb, von der sie selbst massiv profitierte. Er wies nach, wie sich ihr Auslandsgeschäft entwickelte und wie eng ihre weltweiten Operationen mit den Annexionsprogrammen des „Dritten Reiches“ koordiniert waren.

Ein besonderes Kapitel befaßte sich mit der Ausbeutung der Zwangsarbeiter, KZ-Insassen und Kriegsgefangenen durch die Aktiengesellschaften, welche die Deutsche Bank kontrollierte, darunter die Mannesmann-Röhrenwerke, die Bayrischen Motoren-Werke, Daimler-Benz oder Siemens.

Die Quintessenz wird in folgenden Empfehlungen zusammengefaßt, die jedoch nach 1947 niemanden mehr interessierten:

„Es wird empfohlen, daß:

1. die Deutsche Bank liquidiert wird,

2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden,

3. die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden.“ (O.M.G.U.S. Ermittlungen gegen die Deutsche Bank, Nördlingen, 1985)
https://www.wsws.org/de/articles/1999/02/fond-f23.html

Im Schluss seines Vortrag „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ sagte Adorno 1959: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt werden. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“

Statt der Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, statt der Auflösung hegemonialer Wirtschaftsstrukturen, statt Entmilitarisierung, statt wirklicher demokratischer Partizipation gibt es eine Erinnerungskultur ohne Auseinandersetzung mit den Ursachen der eigenen Verbrechen. 

Aktuell zum Thema Erinnerungskultur ein Interview mit Jan und Aleida Assmann, die am 14. Oktober 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten haben:

Jan Assmann: Aleida gehört zu den Gründungsfiguren der deutschen Erinnerungskultur – das Wort hat sie erfunden. Ich habe mit meinen Forschungen zum kulturellen Gedächtnis in der Antike für die historische Tiefenzeit und die religiöse Dimension gesorgt. Wir werden auch die Friedenspreisrede als Paar halten.

Frau Assmann, was verstehen Sie unter Erinnerungskultur?

AA: Angefangen haben wir mit dem kulturellen Gedächtnis. Ich habe nach und nach gewisse Differenzierungen eingearbeitet. Das politische oder nationale Gedächtnis zum Beispiel ist an einen Staat gekoppelt, der Rahmenbedingungen des Erinnerns vorgibt. Davon habe ich das soziale Gedächtnis der Gesellschaft abgesetzt, das auf Medien und Kommunikation beruht. Hinzu kommen das Familien- und das persönliche Gedächtnis. Diese Arbeit beschäftigte mich, als sich in Deutschland mit einem Generationswechsel vieles veränderte. Der Historikerstreit 1986 spielte dabei auch eine ganz wichtige Rolle, zusammen mit der Rückkehr der Holocaust-Erinnerungen. Damals endeten vier Jahrzehnte eines ‚kommunikativen Beschweigens’ der NS-Zeit. Die Erinnerungskultur entstand mit dieser Rückkehr der Erinnerung. Getragen wurde sie zunächst von unten von zivilgesellschaftlichen Initiativen und künstlerischen Projekten, bevor sie bei der Entscheidung für das Berliner Holocaust-Denkmal bei Kanzler Helmut Kohl oben ankam und vom Bundestag aufgegriffen wurde. Neu daran war, dass eine Nation nicht allein mit dem Blick des Stolzes und der Ehre auf ihre Geschichte blickte, sondern auch die eigenen Verbrechen ins nationale Gedächtnis aufnahm.
https://www.rnz.de/panorama/magazin_artikel,-heidelberger-professorenpaar-den-buchpreis-kannten-sie-bisher-nur-aus-dem-fernsehen-_arid,390940.html

8.10.2018
Klaus Jünschke

Schleim liegt über dem Land

Nach dem Sitzstreik von Heinrich Böll in Mutlangen sollte von den „Kulturschaffenden“ erwartet werden, dass dieses Engagement als Maßstab wahrgenommen wird.

Statt dessen dieser Schleim:                  
290 Kulturschaffende zeigen sich entsetzt darüber, „dass der Bundesinnenminister fortwährend die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung sabotiere und dem internationalen Ansehen des Landes schadet.“
Zur Arbeitsfähigkeit der Regierung gehören die von Jahr zu Jahr steigenden Rüstungsexporte, der eskalierende Ausbau der Festung Europa, die andauernde Ausplünderung der afrikanischen Länder, aus denen die Flüchtlinge kommen.
Alle haben die Bücher von Jean Ziegler im Regal und wissen, dass jeder verhungernde Mensch ein ermordeter Mensch ist. Aber die deutschen Eliten waschen sich ihre schmutzigen Hände in Unschuld und haben eine Riege Kulturschaffender an ihrer Seite, die PR für das internationale Ansehen macht statt wenigstens einmal einen Rüstungskonzern zu blockieren.
https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-ruecktrittsforderung-101.html

22.09.2018
Klaus Jünschke

Köln ist überdurchschnittlich

Im Express war das mal so zu lesen: „ Auffällig ist, dass in Köln sowohl die Armutsquote als auch die Zahl der Millionäre über dem Durchschnitt liegen.“

In Köln leben 402 Einkommensmillionäre und über 250.000 Kölnerinnen sind arm. (Ja, wegen der überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten sind in Köln nicht 20% sondern 25% aller Kölnerinnen arm).

Im Aufruf „Gemeinsam zeigt Köln Haltung“ heißt es davon unberührt: „Wir fordern die gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation geflüchteter Menschen. Ihr Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit und menschenwürdigem Wohnen muss sichergestellt sein.“

Zugang Bildung
In Köln fehlen Lehrer und Klassenzimmer. „Mehr als 11 100 Schüler haben im vergangenen Sommer (in NRW) die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen. Wie das Statistische Landesamt am Mittwoch mitteilte, entspricht das 5,7 Prozent der gut 197 000 Schulabsolventen. Die Zahl hat sich leicht erhöht: Im Vorjahr waren es gut 10 800. Die Schüler stehen damit vor einer ungewissen Zukunft und einem erhöhten Risiko, arbeitslos zu werden.

Zugang Arbeit
Die Agentur für Arbeit hat im August 2018 in Köln 46.401 Arbeitslose gezählt.
Unterbeschäftigt, weil sie Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung oder kurzfristig erkrankt sind, waren im gleichen Zeitraum zusätzlich 60.840 Menschen.
Gerhard Schröder: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“

Zugang Gesundheit
Köln ist an 4.Stelle der Städte mit den meisten Drogentoten. In den vergangen 20 Jahren waren es 967. Im vergangen Jahr waren es in Deutschland 1.272.
Drei Millionen Kinder wachsen in Deutschland in Familien mit Suchtproblemen auf.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/Schiffer-Nasserie_8_Thesen.pdf

Zugang Wohnungsmarkt
Mit ca. 460 Euro Monatsmiete zahlen Studenten in Köln für ein WG-Zimmer mehr als im Bundesdurchschnitt. Wenn sie ein Zimmer kriegen. In Köln hat etwa die Hälfte der Menschen ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein, der den Bezug einer geförderten Wohnung erlaubt. Allerdings gibt es nur rund 38.000 solcher Sozialwohnungen. Zum Vergleich: 1990 waren es noch rund 100.000. Die Zahl der Obdachlosen wird auf 3.000 bis 5.000 geschätzt.

Was mit der Forderung nach „gleichberechtigter Teilhabe und Partizipation geflüchteter Menschen“ ganz ignoriert wird, ist dass es Frauen und Männer sind, die flüchten und in einer Gesellschaft ankommen, die patriarchal strukturiert ist. In den Aufsichtsräten der Banken und Konzerne sind Frauen mit 5% vertreten. Ganz unten, in den Gefängnissen, sind gleichfalls die Männer mit 95% nahezu unter sich. Folge einer bisher ausgebliebenen gesellschaftlich relevanten Auseinandersetzung mit dieser hegemonialen Männlichkeit, für die diese Daten beispielhaft stehen, ist nicht zuletzt dieser Dauerbrenner „gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation.“. Nicht einmal genügend Schutz gibt es für die Opfer dieser Gewaltverhältnisse. Der Verein Frauen helfen Frauen teilte diesen Januar mit: „Ein drittes Frauenhaus konnten wir bisher politisch nicht durchsetzen.“

Die Pogrome von Hoyerswerda zwischen dem 17. und 23. September 1991 und in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992 und die Mord-Anschläge in Mölln am 23. November 1992 und Solingen am 29. Mai 1993 führten in Deutschland zu den größten Kundgebungen gegen Rassismus mit mehreren Millionen Teilnehmerinnen. Am 9. November 1992 versammelten sich über 100.000 Menschen auf dem Chlodwigplatz in Köln. Am 6.Dezember 1992 beteiligten über 400.000 Menschen an einer Lichterkette in München.

Am 26. Mai 1993 beschloss der Bundestag die Neuregelung des Asylrechts. Durch die Änderung des Grundgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes (mit Wirkung vom 24. Oktober 2015 umbenannt in Asylgesetz) wurden die Möglichkeiten eingeschränkt, sich erfolgreich auf das Grundrecht auf Asyl zu berufen. Die von Politikern zur Besänftigung der Proteste versprochene Bekämpfung der Fluchtursachen fand nicht statt. Deutschland beteiligt sich wieder an Kriegen, die Rüstungsexporte stiegen auf nie dagewesene Höhen und die Plünderung Afrikas ging weiter.

Aber von Fluchtursachen ist im Aufruf „Gemeinsam zeigt Köln Haltung“ nicht die Rede. Dafür ist zu lesen: „Die EU und Deutschland haben sich von der Geltung des Flüchtlingsschutzes verabschiedet.“ Wie können sich die EU und Deutschland vom Flüchtlingsschutz verabschieden, wenn sie mit ihrer Wirtschafts- und Militärpolitik ständig Fluchtursachen produzieren? Arian Schiffer-Nasserie: „Deutschland ist zentral an der Verursachung der Fluchtgründe beteiligt. Darüber muss man reden, wenn einem wirklich etwas an der Abschaffung des Flüchtlingselends gelegen ist…  …Wenn man sich nicht mehr mit den Ursachen der Notlagen in Deutschland und der Welt befassen will, dann ist Hilfe gar kein erster Schritt zur Überwindung der Probleme, sondern nur die Betreuung des Leids… …Die Ursache liegt in einer Weltordnung, die darauf ausgelegt ist, dass die erfolgreichen kapitalistischen Staaten Westeuropas und Nordamerikas den Nutzen aus der Welt ziehen und die Armutsresultate, die sie dabei überall produzieren, und das Elend, das dabei notwendig zustande kommt, bei sich nicht haben wollen.“

Wer nicht will, dass sich arme Zuwanderinnen und arme Einheimische bei uns als Feinde gegenüberstehen, muss sich für die Überwindung der Armut engagieren. Politkitsch wie „Liebe ist stärker als Hass“, „gemeinsam sind wir Köln“ oder „wir sind 1“ versöhnt mit dem was ist.

10.9.2018 Klaus Jünschke