Eldorado am Rhein

Die Kölnische Rundschau berichtet heute, dass der Projektentwickler SiebersPartner im Frühjahr eine Fläche von 1,8 Fußballfelder des Clouth-Geländes in Nippes  von  der „Modernen Stadt“ gekauft hat. Es wird nicht mitgeteilt, für welche Summe der städtische Grund privatisiert wurde.

Der Kreisverband Köln von Bündnis 90/Die Grünen hat am 30.November 2019 „Grüne Lösungsansätze für die Stadt der Zukunft“ unter der Überschrift „Lebenswertes und bezahlbares Wohnen in Köln“ beschlossen. Darin steht:
„Und wenn wir die Preisspirale auf dem Kölner Wohnungsmarkt effektiv bekämpfen wollen, sollten wir darauf drängen, städtische Grundstücke nur noch an Gesellschaften in öffentlicher Trägerschaft, gemeinwohlorientierte Genossenschaften und Wohngruppen zu vergeben.“

Im „Ergebnis der Sondierungen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Volt zur zukünftigen Zusammenarbeit im Rat der Stadt Köln“ steht unter „Wohnen und Soziales“:
 „Erbbaurecht als grundsätzliches Vergabeinstrument bei städtischen Grundstücken für Wohnen und sozio-kulturelle Nutzung nach Wiener Vorbild.“

Wie viele städtische Grundstücke sind seit Beginn der Koalition von CDU und Grünen an private Investoren verkauft worden?  Wer bitte kann uns das sagen? Wir wollen wissen, wem die Stadt gehört.
 

https://www.sieberspartner.de/  stellt sich auf der Homepage so vor: „Seit über 25 Jahren entwickeln wir Immobilienprojekte: kaufen Grundstücke oder Objekte, sanieren oder bauen neu, vermieten oder veräußern…  … Und wir wissen genau was wir tun – für Sie und uns dauerhafte Werte schaffen.“

Die „Moderne Stadt“ ist das Stadtentwicklungsunternehmen der Stadt Köln, zu 49% gehört es ihr, die anderen 51% gehören den Stadtwerken Köln.
https://www.modernestadt.de/
und
https://www.stadtwerkekoeln.de/ueber-die-konzerngesellschaften/moderne-stadt-gmbh/

Zur Vorgeschichte hat die taz 2003 informiert.
https://taz.de/Lukrative-Geschaefte-mit-der-Stadt/!663846/

Die Bürgerinitiative Johannes Giesberts-Park hat ihre Auseinandersetzung mit der „Modernen Stadt“ während der „Entwicklung“ des Clouths-Geländes dokumentiert:
http://www.giesbertspark.de/Angriff-auf-den-Park/

15.Dezember 2020
Klaus Jünschke

Zur Diskriminierung von Wohnungslosen

Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gab es 2014  in der Bundesrepublik 335.000 Wohnungslose  – heute sind es etwa 680 000, davon sind allein in Berlin fast ein Viertel Familien mit Kindern. Damit hat sich die Zahl der Wohnungslosen in den letzten fünf Jahren verdoppelt.

Es darf angenommen werden, dass die Zahl der Wohnungslosen höher ist, Der Spiegel hat vergangene Woche berichtet, dass  in Deutschland 6,4 Millionen Menschen in überbelegten Wohnungen leben.

Im Februar hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt dass 14% aller Gefangenen 2019 bei der Verhaftung ohne Wohnung waren. In der Bevölkerung sind die Wohnungslosen etwas weniger als 1 % . Das bedeutet, dass sie im Gefängnis 14 mal mehr vertreten sind, als es ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht.

Die Frage die sich stellt, ob die Obdachlosen krimineller sind als die Mehrheit der Bevölkerung oder ob sie nur schlechter dran sind, und deshalb stärker kriminalisiert werden, ist wissenschaftlich beantwortet.

Es gibt daher auch  eine deutlichen Kritik an Polizei und Justiz, die Obdachlose wiederholt wegen Bagatelldelikten ins Gefängnis schicken: „Würden sich die Verantwortlichen hinsichtlich der Sanktionierung von straffällig gewordenen Wohnungslosen etwas mehr mit der Lebenswelt Wohnungslosigkeit beschäftigen, käme es zu weniger absurden Urteilen gerade hinsichtlich Bagatelldelikten im Wiederholungsfall. Die zum Teil völlig verfehlten, unverhältnismäßig harten und vor allem sinnlosen strafrechtlichen Konsequenzen könnten in vielen Fällen umgewandelt werden in adäquate, sinnvollere Alternativsanktionen.“ So Marion Müller in ihrer Untersuchung.

Helping Hands, eine der aktiven ehrenamtlichen Hilfsorganisationen für Obdachlosen, die am Breslauer Platz seit Jahren Essen verteilen, hat von einer großen Spende der Kölner Polizei berichtet und sie für die Obdachlosen dankbar entgegengenommen. Es wäre prima wenn das auch zur Folge hätte, dass die Obdachlosen weniger kriminalisiert werden.

Aber nicht nur Polizisten und Richter müssen sich ändern, die Gesellschaft muss sich ändern:

Marion Müller „Ein einseitiger, stigmatisierender Blickwinkel à la Wohnungslose trinken, betteln und klauen, ist nicht haltbar. Genauso wenig sollte man sich allerdings dazu verleiten lassen, ausschließlich einen mitleidigen Blickwinkel anzusetzen. Beide Sichtweisen versperren die Sicht auf wohnungslose Menschen als die individuellen Personen, die sie sind: weder Täter noch Opfer ihrer Situation, aber umrahmt von extremen Bedingungen, die ihren Handlungsentwürfen und -möglichkeiten entgegenstehen können.“

Von den extremen Bedingungen, die die Handlungsmöglichkeiten von Obdachlosen einschränken und sie bedrücken und fatalistisch werden lassen, haben  wir durch die Beiträge von Linda und Jürgen gehört.

Warum die Sozialverwaltung und der Rat der Stadt Köln selbst mit der erst am 3.Dezember gestarteten Winterhilfe  nicht beschlossen haben, leerstehende Hotels zu öffnen und alle Obdachlosen auf der Straße eigene Zimmer mit Dusche und Toilette anzubieten, können wir uns nur aus der in unserer Gesellschaft tief verankerten Abwertung von Obdachlosen erklären.

In unserem Buch „RatSchläge gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln“ haben wir auf S.18 aus dem Forschungsprojekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zitiert, mit dem auch jährlich die Abwertung von Obdachlosen gemessen wird. Über ein Drittel der Bevölkerung erklärt, dass ihnen Obdachlose in den Städten unangenehm sind, sie halten Obdachlose für arbeitsscheu und finden dass bettelnde Obdachlose aus den Fußgängerzonen entfernt werden sollten.

Die Frage nach den Ursachen bringt uns zu einer Spur, die zurück auf den Nationalsozialismus führt.

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden u.a. Alkoholkranke und Wanderarbeiter als „Asoziale“ oder Kleinkriminelle als „Berufsverbrecher“ stigmatisiert, inhaftiert und ermordet. Unabhängig von der Verbüßung ihrer Strafe wurden Menschen, die damals bestehende Kriterien von Leistung und Moral nicht erfüllten, durch das NS-Regime geächtet. Im KZ trugen sie den lila Winkel.

Die Bundesregierung hat im April bekannt gegeben, dass sie eine Wanderausstellung zum Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ verfolgt wurden, fördert. Das Projekt wird von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg umgesetzt.

Man darf sicher sein, dass wie bei vielen staatlichen  Auseinandersetzungen mit dem Faschismus vom Kapitalismus nicht die Rede sein wird. Dabei liegt auf der Hand, dass es für irgendjemand nützlich sein muss, wenn nach über 150 Jahren Sozialgesetzgebung die Armut immer noch nicht wirklich bekämpft, sondern nur verwaltet wird.

Bei der Frage nach den Ursachen dafür, dass Obdachlose abgewertet, angegriffen und ermordet werden, dürfen wir beim Kapitalismus nicht Halt machen.  Da ist von der Frauenbewegung und ihren Bemühungen die Ursachen und die Geschichte des Patriarchats zu erforschen und zu verstehen, viel zu lernen.

Trotzdem sei an Friedrich Engels und seine Schrift „Zur Wohnungsfrage“ von 1871/72 erinnert. Wer das Wort vom „Lumpenproletariat“ erfunden hat, konnte ich nicht rausfinden.

Mit dem Nationalismus entstand der Antisemitismus, dem vorausgegangen war die Entstehung des Rassismus zur Rechtfertigung der Versklavung der Afrikaner.

Die zweitausendjährige Geschichte der Juden in der Diaspora und die Geschichte der Roma und Sinti ist geprägt davon, dass sie immer wieder für vogelfrei erklärt wurden und mörderischen Pogromen ausgesetzt waren. Lange bevor es Strafgesetze gab, waren sie schon zu Verbrechermenschen zugerichtet worden.

Mit Gewalt nahmen sich im Mittelalter Adlige, Kirchen und Klöster Grund und Boden. Armen wurde selbst verwehrt die Wälder zum Holzsammeln zu betreten. Wie die Kirchen mit ihren Glaubensgenossen umgegangen sind, die in Armut leben wollten, hat Umberto Eco in „Im Namen der Rose“ meisterhaft geschildert. Adorno hat im Rückblick auf die Geschichte der Christen festgestellt, dass sie die Kälte tilgen wollten, aber weil sie nicht die Ursachen der Kälte angegangen sind, sind sie gescheitert.

Der Soziologe Christian Sigrist, hat zur Entstehung von Herrschaft geforscht, die noch weitere Tausende von Jahren zurückführt.  Er erklärte:

„Allgemein lässt sich die Entstehung von Paria-Gruppen als Ergebnis von Herrschaftsbildung und wachsender ökonomischer Ungleichheit erklären. Die religiöse Überhöhung von Herrschaftsinstanzen findet ihren Gegenpart in der Dämonisierung von Randgruppen.“

Wie mit dem Patriarchat haben wir es mit den Armen und Obdachlosen  mit einer Jahrtausende alten Unterdrückungsgeschichte zu tun.

Menschen durch die Maschen des sozialen Netzes fallen zu lassen ist nützlich für diejenigen die heute herrschen.

Unsere Solidarität mit den Obdachlosen ist daher  nicht nur eine menschliche Selbstverständlichkeit, sie ist auch politisch, sie ist antifaschistisch und zielt auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft.

In diesem Sinne: Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit – für eine Stadt ohne Armut

10.Dezember 2020
Klaus Jünschke Veröffentlicht am 17. Dezember 2020Katgeorien Allgemein1 Kommentar zu Zur Diskriminierung von WohnungslosenBearbeite „Zur Diskriminierung von Wohnungslosen“

Arm und reich – alle gleich?

Der zweite Kölner Tatort im kommenden Jahr führt die fiktiven Kriminalhauptkommissare Max Ballauf und Alfred („Freddy“) Schenk  laut Vorankündigung in die Welt der Obdachlosen und zu deren Überlebenskampf, nachdem eine Frau unter einer Brücke im Schlaf angezündet wurde.  Der Titel des Films: „Brennen sollst Du“.

Nebenrollen in solchen Krimis haben oft Schauspieler die Journalistinnen und Journalisten darstellen, die sich bemühen von den Kommissaren Ermittlungsergebnisse zu erhalten. Regelmäßig werden sie von den Polizisten mit dem Hinweis auf die laufenden Ermittlungen zurechtgewiesen.

In realen Köln war das gestern nicht nötig. Da hat die Pressestelle der Polizei den Medien mitgeteilt, dass sie einen 29jährigen Obdachlosen im Visier haben.  Mit kleinen Meldungen in den heutigen Ausgaben der Tageszeitungen wird das gewürdigt.

Die Kölnische Rundschau referiert dankenswerter Weise nicht nur den Polizeibericht, sie lässt auch Andreas Hupke, den grünen Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, zu Wort kommen. Er äussert nicht nur wie die Grünen Sozialpolitiker Sven Lehmann und Marc Kersten seine Bestürzung über die abscheuliche Tat, sondern er beklagt auch dass zu viele Menschen „schutzlos im Regen stehen“, und fordert die Stadt auf, die Betroffenen besser zu schützen.

Während selbst die Tatort-Kommissarinnen und –Kommissare in vielen dieser sozialkritisch angelegten Krimis die gesellschaftlichen Ursachen von Straftaten ansprechen, halten sich die Kölner Medien bedeckt. Dabei müssten sie nur mal lange Gespräche mit obdachlos gewordenen Jugendlichen, Frauen und Männern führen und sie ausführlich zu Wort kommen lassen, um die Einsicht entstehen zu lassen, woher die Gewalt unter den Obdachlosen und gegen Obdachlose kommt.

Während das heute unterlassen wird, liegt dem Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnischen Rundschau jeweils ein Faltblatt bei, das aufgeklappt 125 x 46 cm groß ist und ein Panorama von Köln zeigt, das fett mit „Wohnprojekte Köln“ überschrieben. Ich empfehle diese Zeitung heute wegen dieser Beilage zu kaufen. Sie verschafft eine Ahnung davon, wie Köln zu einem Milliardenmarkt der Immobilienwirtschaft geworden ist, der Reichtum und Obdachlosigkeit produziert.

Während wir morgen von 13.30 – 15 Uhr auf unserer Kundgebung vor dem Rathaus auf dem Alter Markt „Verschließbare Zimmer für alle Obdachlosen“ als Übergangslösung für ein möglichst schnelles „Housing Frist“ für alle fordern, tagt der neugewählte Stadtrat. Wie im beigefügten Artikel aus der Rundschau erklärt wird, geht es um die Verteilung der Aufsichtsräte. „Im Vorfeld haben sich die Parteien darauf verständigt, wer künftig welches Gremium leiten soll.“ Nachdem die CDU die Grünen über den Tisch gezogen hat und alle im Interesse der Immobilienwirtschaft wichtigen Posten unter ihre Kontrolle gebracht hat, erklären sie gönnerhaft: „Die Grünen langen richtig zu.“ 

Die Realsatiren trösten allerdings nur ein Bisschen über den pandemiebedingten Ausfall der Stunksitzung. Tatsächlich bietet das Kölner Biotop der Raffzähne und Miethaie weit mehr Anlass zu Wut als zum Lachen.

Wir müssen ermitteln wem die Stadt gehört und sie zu einer Stadt für die Menschen machen, die drin wohnen.
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit  – für eine Stadt ohne Armut.

9.Dezember 2020
Klaus Jünschke

Abschließbare Zimmer für alle Obdachlosen

Nachdem ich in der neuesten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes gelesen hatte, dass an die 14% der Strafgefangenen 2019 keinen festen Wohnsitz hatten, als sie inhaftiert wurden, habe ich recherchiert, ob es Forschungen dazu gibt. Erschreckend wenig, aber es gibt sie. In der 2006 vorgelegten Doktorarbeit „Kriminalität, Kriminalisierung und Wohnungslosigkeit“ von Marion Müller stehen am Ende Ergebnisse:

Ihre Studie veranlasst sie zu einer deutlichen Kritik an Polizei und Justiz, die Obdachlose wiederholt wegen Bagatelldelikten ins Gefängnis schicken: „Würden sich die Verantwortlichen hinsichtlich der Sanktionierung von straffällig gewordenen Wohnungslosen etwas mehr mit der Lebenswelt Wohnungslosigkeit beschäftigen, käme es zu weniger absurden Urteilen  gerade  hinsichtlich  Bagatelldelikten  im  Wiederholungsfall.  Die  zum  Teil völlig verfehlten, unverhältnismäßig harten und vor allem sinnlosen strafrechtlichen  Konsequenzen  könnten  in  vielen  Fällen  umgewandelt  werden  in  adäquate,  sinnvollere  Alternativsanktionen.“

Aber nicht nur Polizisten und Richter müssen sich ändern, die Gesellschaft muss sich ändern: „Ein  einseitiger,  stigmatisierender  Blickwinkel  à  la  Wohnungslose  trinken,  betteln  und  klauen,  ist  nicht  haltbar.  Genauso  wenig  sollte  man  sich  allerdings  dazu  verleiten  lassen,  ausschließlich  einen  mitleidigen  Blickwinkel  anzusetzen.  Beide  Sichtweisen  versperren  die  Sicht  auf  woh-nungslose  Menschen  als  die  individuellen  Personen,  die  sie  sind:  weder  Täter  noch  Opfer  ihrer  Situation,  aber  umrahmt  von  extremen  Bedingungen,  die  ihren Handlungsentwürfen und -möglichkeiten entgegenstehen können.“

Die heutigen Presseberichte der Kölner Tageszeitungen legen den Schwerpunkt nicht auf die extremen Bedingungen, die die Handlungsmöglichkeiten der Obdachlosen einschränken und für die Stadt und Staat verantwortlich sind.  Angesichts des unaufgeklärten Tötungsdelikts am Chlodwigplatz  weiß der Stadt-Anzeiger: „Zunehmende Gewalt in Obdachlosenscene“ ohne dafür Beweise vorzulegen. Die wenigen Studien die es gibt, gehen davon aus, dass die Hälfte der Gewaltdelikte gegen Obdachlosen von anderen Obdachlosen ausgingen  und die andere Hälfte von Nicht-Wohnungslosen. Wobei klar ist, dass die Umgangsformen unter Obdachlosen von den extremen Bedingungen geprägt sind, die sie umgeben.

Warum rücken die Journalisten nicht den Verantwortlichen in der Sozialverwaltung auf die Pelle und ermitteln, warum den Obdachlosen nicht wenigstens für die Dauer der Pandemie leerstehende Hotels geöffnet werden?

Warum fragen sie SKM nicht, wieso sie die Türen in der Notschlafstelle in Merheim ausgehängt haben?

Die Kollegen vom Düsseldorfer Straßenmagazin fiftyfifty müssen keine Wissenschaftler bemühen um zum Wesentlichen zu kommen: „Alle uns bekannten Personen möchten selbst gerne ihre Schlafstellen aufgeben und in regulären Wohnraum einziehen. Dabei steht der Wunsch nach einem abschließbaren Zimmer, in dem sie zur Ruhe kommen, an oberster Stelle. Notschlafstellen und Unterkünfte mit harten Regeln und vielen anderen Übernachtern sind daher meist keine Option.“

Die Kundgebung unserer Mahnwache gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung beginnt am Donnerstag um 13.30 h. Die Polizei hat die Zahl der Teilnehmenden auf dem Alter Markt auf 100 begrenzt. Wir wären gerne  um 15 h vom Alter Markt zum Chlodwigplatz gegangen um dort den vielen Toten Obdachlosen zu gedenken. Das wurde wegen der Pandemie nicht erlaubt.

8.Dezember 2020
Klaus Jünschke

CDU, Grüne und Volt ohne Antwort auf die Wohnungsnot

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. zählte die Angriffe von Menschen, die eine Wohnung haben, auf Obdachlose und kam von 1989 bis 2017 auf insgesamt 238 Todesfälle und 794 Körperverletzungen. (Jünschke, Kippe, Stankowski: RatSchläge gegen Wohnungsnot, Köln 2020,  S.19)

Gestern hat die Polizei mitgeteilt, dass bisher Unbekannte versucht haben einen schlafenden Obdachlosen beim Chlodwigplatz  zu verbrennen.

Am 9.November 1992 habe wir dort mit 100.00 anderen zum ersten Mal das „Arschu-Huh“-Lied gehört:
Wie wöhr et, wemmer selver jet däät,
Wemmer die Zäng ens ussenander kräät?
Wenn mir dä Arsch nit huhkrieje,
Ess et eines Daachs zo spät.

Nach dem Mord an Basti vor vier Jahren titelte der Express: „Köln lässt Obdachlose allein“
Am Ende des Artikels sagte Nicole: „Vielleicht ist mal der Zeitpunkt gekommen eine Demo für und mit Obdachlosen in Köln durchzuführen. Das Thema geht uns alle an! Wenn 44.000 Kölner gegen Rechtspopulismus demonstrieren, dann sollten doch auch ein paar Kölner ein Herz für Obdachlose haben, sich solidarisch zeigen und ihnen eine Stimme geben!“ Das sagte Nicole 2016.
https://www.express.de/koeln/basti—29–verbrannt-horror-tat-entsetzt-helfer—koeln-laesst-obdachlose-allein–25089862?originalReferrer=https://l.facebook.com/&fbclid=IwAR2zTr-Aobe57x6s-B_7F-OPJlFxfl7_n1Oru7Dg_LXvoBJXgfGfgQ9mpjo

Am Internationalen Tag der Menschenrechte, am Donnerstag, den 10.Dezember 2020 ist unsere nächste Kundgebung gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung von 13.30 – 16 h vor dem Rathaus der Stadt Köln auf dem Alter Markt. Helft mit unserer Forderung nach Öffnung der Hotels und der Unterbringung aller Obdachlosen in Zimmern mit Bad Gehör zu verschaffen. An diesem Tag findet die 3.Ratssitzung des neugewählten Stadtrats statt.

Nach dem die Polizei gestern bekannt gemacht hat, dass eine Mordkommission gebildet wurde, um aufzuklären, wer einen schlafenden Obdachlosen verbrennen wollte, haben uns Freunde gefragt, was das für Menschen sind, die sowas tun. Wem die ganz deutsche Geschichte aus dem Blick geraten ist, weil die Erinnerungskultur die Gutwerdung der Deutschen vollbracht hat, empfehlen wir zu den „Männerphantasien“ von Klaus Theweleit zu greifen und Christopher R. Browning: „Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen“ zu lesen.

Aber man muss nicht soweit zurückgehen um zu verstehen woher die Wind weht:

Diesen Sommer startete das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung von NRW  unter den 396 Städten und Gemeinden eine Umfrage über die Zukunft der Innenstädte. Aus den Rathäusern kamen die Antworten von der Stadtentwicklung, der Stadtplanung oder der Wirtschaftsförderung. Vor zwei Tagen gab Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Ergebnisse bekannt. Erstmals wurde „Sicherheit und Sauberkeit“ als wichtigster Zukunftsfaktor eingestuft.  In den Jahren davor stand auf Platz 1 immer die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerin-scharrenbach-innenstaedte-der-zukunft-sauberkeit-und-sicherheit-werden

Wir von der Mahnwache gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung kommen mit unseren Forderungen „Für ein Stadt ohne Obdachlosigkeit, für eine Stadt ohne Armut“ gar nicht vor. Das liegt nicht daran, dass nur die Stadtverwaltungen gefragt wurden und nicht die Bevölkerung.
Die Neoliberalen haben es geschafft mit ihrer frohen Botschaft „Wir sind alle Mittelschicht“ selbst die Armen zu desorientieren. Da stören die Obdachlosen und Junkies, die auf den Straßen liegen. Es gibt keine richtige Auseinandersetzung mit der Armut in der Stadt. Wenn überhaupt wird von „armutsgefährdet“ gesprochen und geschrieben. Für das Institut der Deutschen Wirtschaft sind das in Köln über 25% der Bevölkerung. Vielen von ihnen können nur mit Hilfe der Tafel und der Kleiderkammern überleben.

Durch die Pandemie ist sichtbar geworden, was seit Karl Marx  zur Allgemeinbildung gehören müsste: der kapitalistische Reichtum beruht auf der Armut jener, die ihn als Lohnabhängige herstellen, vermehren und verwalten. Arm sind sie, weil sie ausgeschlossen sind von den Produktionsmitteln. Das begründet überhaupt ihre Lohnabhängigkeit. In diesem Sinn ist die absolute Mehrheit in der Stadt und in der ganzen Gesellschaft, wie auf der ganzen Welt arm.

Als wir am 27.Juli vor  dem Rathaus auf dem Alter Markt unseren Info-Stand aufbauten, baten wir die Passanten mit ihrer Unterschrift unsere Forderungen zu unterstützen. Der Text an die Kölner Mitbürgerinnen und Mitbürger war überschrieben mit „Stoppt Wohnungsnot, Abbruch und Obdachlosigkeit – ein sicheres Zuhause für alle“. (In unserem Buch „RatSchläge“ auf S.11)

Anfang Juli konnte der Stadt-Anzeiger melden, dass der erste Obdachlose in Köln vermittels „Housing First“ eine Wohnung bekommen hat. Der Vringstreff e.V. hatte es geschafft eine Wohnung zu kaufen und hat sie einem Obdachlosen vermietet. https://vringstreff.de/wohnen-housing-first/
Im Wahlkampf für die Kommunalwahl im September hatten alle Parteien „Housing First“ in ihre Programme aufgenommen. Aber alle Wohnungs- und Obdachlosen schnellstmöglich mit Wohnungen zu versorgen gehörte nicht zu ihren Forderungen. In ganz Deutschland gibt es noch keine Stadt, die eine Stadt ohne Obdachlosigkeit sein will. (RatSchläge S. 17) Dabei fordert selbst die EU, die an ihren Außengrenzen jedes Recht missachtet, selbst das Existenzrecht, dass innerhalb der EU Obdachlosigkeit bis 2030 beendet werden soll. Wie das ohne Enteignung der Immobilienkonzerne gehen soll, wird nicht erklärt, aber die Forderung steht.
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-will-obdachlosigkeit-beenden-101.html?fbclid=IwAR0BAqiXeRL7t2pa01GnZMy854FBwk2rd1FkuVXVofr61FMrei2ZntjErxM

Durch die Pandemie gibt es in den Medien Berichte über die Gruppen, die am stärksten gefährdet sind. Wissenschaftler nennen sie „vulnerabel“, verwundbar. Die Obdachlosen kommen dadurch wieder vor. Sie haben kein Zuhause, sie können sich nicht regelmäßig die Hände waschen.

Warum die Sozialverwaltung und der Rat der Stadt Köln selbst mit der erst am 3.Dezember gestarteten Winterhilfe  nicht beschlossen haben leerstehende Hotels zu öffnen und alle Obdachlosen auf der Straße eigene Zimmer mit Dusche und Toilette anzubieten, können wir uns nur aus der in unserer Gesellschaft tief verankerten Abwertung von Obdachlosen erklären.
Es ist nicht nur die Stadt, die Armut nur verwaltet, statt an ihrer Überwindung zu arbeiten. Jeder siebte Insasse der Gefängnisse in Deutschland war bei seiner Verhaftung obdachlos. Diese extreme Überpräsentierung zeigt, dass Obdachlose mehr kriminalisiert werden, als dass ihnen wirklich geholfen wird. (RatSchläge S.16) Arme werden bekämpft, nicht die Armut.

In unserem Buch „RatSchläge gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln“ haben wir auf S.18 aus dem Forschungsprojekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zitiert, mit dem auch jährlich die Abwertung von Obdachlosen gemessen wird. Über ein Drittel der Bevölkerung erklärt, dass ihnen Obdachlose in den Städten unangenehm sind, sie halten Obdachlose für arbeitsscheu und finden dass bettelnde Obdachlose aus den Fußgängerzonen entfernt werden sollten.

6. Dezember 2020
Klaus Jünschke, Juer Gen, Rainer Kippe, Christa Schliebs,
Für die Mahnwache gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit