Am Schluss seines Vortrag „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ sagte Adorno 1959: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt werden. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“
Zwei Jahre lang gab es Bemühungen die gesellschaftlichen Voraussetzungen des Faschismus zu thematisieren und ihre Überwindung einzufordern.
Der Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald vom 19. April
1945 endete mit den Worten:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau
einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum
Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und
sprecht mir nach:
WIR SCHWÖREN!“
Buchenwald/Weimar 19.April 1945
https://dasjahr1945.de/der-schwur-von-buchenwald/
Die SPD forderte am 15. Juni 1945 im Aufruf zum Neuaufbau ihrer Partei u.a.: „Verstaatlichung der Banken, Versicherungsunternehmen und der Bodenschätze, Verstaatlichung der Bergwerke und der Energiewirtschaft. Erfassung des Großgrundbesitzes und der lebensfähigen Großindustrie und aller Kriegsgewinne für die Zwecke des Wiederaufbaus. Beseitigung des arbeitslosen Einkommens aus Grund und Boden und Miethäusern.“ (Gebhard Diemer: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Auf dem Wege zur Republik 1945-1947, Schöningh, 1979, S. 170)
Im Potsdamer Abkommen, das vom 17. Juli – 2. August 1945
beraten wurde, sind Grundsätze zur Behandlung Deutschlands festgelegt worden
und es wurden Kriterien für eine antifaschistische und friedliche Perspektive
formuliert, wie z.B. Forderungen nach Auflösung hegemonialer Wirtschafts-strukturen,
Forderungen nach wirklicher demokratischer Partizipation, Entmilitarisierung
u.a.
Der antifaschistisch-demokratische Neubeginn sollte sich an den „großen D’s“
orientieren: Demokratisierung, Demilitarisierung, Demonopolisierung,
Denazifizierung, Dezentralisierung.
https://dasjahr1945.de/das-potsdamer-abkommen/
Im Amt der US-Militärregierung für Deutschland (Office of Military Government for Germany (U.S.) (OMGUS)) wurde ernsthaft daran gearbeitet: Zu den Aufgaben der OMGUS-Mitarbeiter gehörte auch die Entnazifizierung und damit die Neueinsetzung durch den Nationalsozialismus unbelasteter Deutscher in sämtliche Positionen des öffentlichen Lebens. Ein weiterer Schwerpunkt war die Beschaffung detaillierter Informationen über die Verstrickungen der deutschen Wirtschaft in die NS-Herrschaft. Diese umfangreiche Dokumentation (auch „OMGUS-Akten“ genannt) diente bei den Nürnberger Prozessen als Beweismaterial. In einem Abschlussbericht empfahl OMGUS unter anderem die Auflösung der drei deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank) sowie der I.G. Farben. https://de.wikipedia.org/wiki/Office_of_Military_Government_for_Germany_(U.S.)
Mit dem aufkommenden Kalten Krieg endete die Aufarbeitung.
Truman-Doktrin
Am 12. März 1947 gab der US-amerikanische Präsident Harry S. Truman vor dem
US-Kongress eine Erklärung ab, die als sogenannte Truman-Doktrin in die
Geschichte einging. Nach dieser Doktrin sollte es zum außenpolitischen
Grundsatz der Vereinigten Staaten von Amerika werden, „freien Völkern
beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete
Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“. Truman erklärte, dass die
USA bereit seien, dem dringenden Appell der griechischen Regierung um
wirtschaftliche und militärische Unterstützung im Griechischen Bürgerkrieg
nachzukommen. Auch die Türkei, die sich in einer ähnlichen Situation wie
Griechenland befand, solle amerikanische Hilfe erhalten.
Die Truman-Doktrin bedeutete das Ende der amerikanischen Kriegskoalition mit
der Sowjetunion und markiert den Beginn des Kalten Krieges. Mit ihr beginnt das
finanzielle Engagement der USA in der Containment-Politik.
https://de.wikipedia.org/wiki/Truman-Doktrin
Adornos in diesem Jahr veröffentlichter Vortrag „Aspekte des
neuen Rechtsradikalismus“, den er 1967
vor Studenten in Wien gehalten hat, wurde quer durch alle Medien begeistert
aufgenommen.
Beispielheft sei die Zeit zitiert: „Der Rechtsradikalismus wird wiederkehren,
solange das Kapital triumphiert: Theodor W. Adornos Erklärungen für den Erfolg
der NPD in den späten Sechzigerjahren gelten auch heute noch.“
https://www.zeit.de/2019/31/theodor-w-adorno-rechtsradikalismus-kapitalismus-buch
In der Auseinandersetzung mit der AfD kommen die von Adorno genannten gesellschaftlichen Voraussetzungen des Faschismus nicht vor. Statt dessen wird versucht ein anderes Symptom zur Ursache zu erklären: Rassismus.
Norbert Elias dazu: „Es scheint, dass Begriffe wie
„rassisch“ oder „ethnisch“, die in diesem Zusammenhang sowohl in der Soziologie
als auch in der breiteren Gesellschaft weiterhin gebraucht werden, Symptome
einer ideologischen Abwehr sind. Durch ihre Verwendung lenkt man die Aufmerksamkeit
auf Nebenaspekte der Figuration (z.B. Unterschiede der Hautfarbe) und zieht sie
ab von dem zentralen Aspekt (den Machtunterschieden).“
Elias, Norbert / Scotson, John L. (1990): Etablierte und Außenseiter. Frankfurt
a.M. S.26.f.
Wer die soziale Ungleichheit nicht überwinden will, soll uns nichts vom Faschismus erzählen.
9.11.2019
Klaus Jünschke