Wohnen ist ein Menschenrecht
In diesem Jahr startete der Housing Action Day auf dem Chlodwigplatz. Tim vom „Solidaritätsnetzwerk“ erinnerte mit der Forderung, Grund und Boden zu vergesellschaften, an die lange Geschichte der Wohnungsfrage. Im Stadt-Anzeiger stand ein Artikel über die praktische Arbeit des Solinetzes:
Friedrich Engels schrieb sein Buch Zur Wohnungsfrage 1872. http://www.mlwerke.de/me/me18/me18_209.htm
Anja von der „Initiative Severinsviertel erhalten“, zeigte auf die krassen Unterschiede zwischen Berlin und Köln. In Berlin gibt es 60 Milieuschutzgebiete, in Köln nur drei. https://severinsviertelerhalten.de/milieuschutz
Was Gentrifizierung konkret bedeutet veranschaulichte Kalle am Beispiel einer Familie mit vier Kindern, die aus ihrem Haus in der Karl Korn Straße 4 verdrängt werden soll. Voll empört wies Kalle darauf hin, dass die Strafen für die ihre Mieter verdrängenden Hausbesitzer so gering sind, dass sie aus der Portokasse bezahlt werden können – völlig ungeeignet Verdrängungen aufzuhalten. http://wiki.rechtaufstadt.net/index.php/Recht_auf_Stadt_K%C3%B6ln
Vom Chlodwigplatz ging es dann über die Severinstraße zum Heumarkt, wo viele Sprecherinnen verschiedener Initiativen die ganze Bandbreite der Not und des Elends der Wohnungsfrage in Köln vorstellten. Am Rand der Kundgebung informierte die Initiative „Wohnen wagen“ mit ihrem Wohnwagen.
Vom Schimmel in der Steigerwald-Siedlung und den Problemen bei der Wohnungssuche reichten die Schilderungen von Betroffenen. Auf die latente Wohnungslosigkeit von Frauen, machte eine Rednerin aufmerksam, die über das weiblich Gesicht der Wohnungslosigkeit sprach: Frauen stehen oft nicht im Mietvertrag, was es ihnen angesichts drohender Obdachlosigkeit schwer macht, den gewalttätigen Partner zu verlassen.
Linda vom Verein Heimatlos in Köln hat in ihrer langjährigen Praxis viele Frauen kennengelernt, die dringend einen geschützten Raum für sich brauchten, aber weder einen Platz in den beiden Frauenhäuser noch ein Zimmer mit eigener Dusche und Toilette in den Notunterkünften fanden. http://hik-koeln.de/
Michael Weisenstein, wohnungspolitischer Sprecher der Linken im Kölner Rat, gab einen Beschluss des Kölner Kreisverbandes der Linken bekannt: sie begrüßten die Besetzung des Hauses der Russischen Föderation und wollen die Forderung zur Beschlagnahme in den Rat einbringen. https://die-linke-koeln.de/
Akiko stellte ihre Unterstützung der Obdachlosen mit Zukunft (OMZ) in den Kontext der weltweit zunehmenden sozialen Ungleichheit und der Klima- und Umweltkatastrophe.
Jürgen schilderte aus eigener Erfahrung das Leben in den zu Notunterkünften umgewidmeten Hotels, deren Kosten für die Unterbringung er besser im Umbau und Neubau von Sozialwohnungen sieht.
Rainer Kippe hatte das Schlusswort und erklärte als Konsequenz der am frühen Morgen stattgefundenen Besetzung des Hauses in der Friedrich-Engels-Str.7, dass es ab sofort jeden Samstag um 10 Uhr eine Kundgebung vor dem Haus stattfinden wird – bis dort Flüchtlinge und Obdachlose wohnen.
Musikalisch haben Max Goedecke und Cesar Hermes die Kundgebung unterstützt.
Außer den bereits genannten Initiativen und https://wemgehoertdiestadt.koeln/ waren weitere Initiativen bei den Kundgebungen auf dem Chlodwigplatz und dem Heumarkt präsent. Eine vollständige Übersicht wird es hoffentlich im Abschlussbericht der Organisatoren des Housing Action Day geben. Nicht anwesend waren die Freien Träger der Kölner Wohnungslosenhilfe, die beruflich die Armut in Köln mitverwalten.
„Dass man über die Ursachen Bescheid weiß und nicht aus opportunistischen Gründen über sie hinwegsieht, ist doch die Voraussetzung dafür, dass man was ändern kann. Das halte ich zumindest auch in meinem Alltag und meinem normalen Leben für selbstverständlich. Dass man sich erstmal über die Ursachen Klarheit verschafft und dann ans Lösen geht.
Hilfe ist immer dann nötig, wenn Hilfsbedürftigkeit erstmal in der Welt ist. Die deutschen Sozialverbände helfen seit über 150 Jahren—und das halte ich für ein trauriges Urteil. Wenn man sich nicht mehr mit den Ursachen der Notlagen in Deutschland oder der Welt befassen will, dann ist Hilfe gar kein erster Schritt zur Überwindung der Probleme, sondern nur die Betreuung des Leids.“ (Arian Schiffer-Nasserie).
Wie das Andauern und Aufkommen von Armut verhindert werden kann, wurde auf dem Housing Action Day auf vielfältige Weise angesprochen. In ihrem Buch „Obdachlos weil arm“ hat Ursula Christiansen 1973 in ihrem Fazit die in der Sozialen Arbeit tätigen Frauen und Männer aufgefordert, zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse beizutragen, die zur Armut führen. Wörtlich:
„Sozialarbeiter sollten als Aktivisten wirken, die die Aktivierung und Organisierung von Gruppen von Armen anregen und sie im Kampf zur Verbesserung ihrer Situation unterstützen.“ (S.188)
27. März 2022