So hat die Karl-Rahner –Akademie am 18.11.2025 eingeladen. Norbert Bauer, der Leiter der Akademie, bat in seiner Anmoderation Simone Holzapfel und Ute Theisen von ihren persönlichen Wahrnehmungen am Neumarkt zu berichten. Simone Holzapfel, Sachbereichsleiterin Gesundheits- und Integrationshilfe beim SKM, erzählte, dass sie angesichts der vielen Obdachlosen schon mal überlegen muss, wie sie an ihnen vorbeikommt, und dass sie sich manchmal bedroht fühlt. Ute Theisen vom Vorstand des SKF verwies auf die in den letzten Jahren schlimmer gewordene Situation, nicht nur am Neumarkt. Obdachlose Frauen, die beim SKF übernachten, haben ihr berichtet, dass sie Angst vor der Drogenszene auf dem Neumarkt haben.
Die drogenkranken Obdachlosen waren damit als Problem eingeführt. Da keine Drogengebraucherinnen vom Neumarkt in eigener Sache sprechen konnten, hätten wenigstens die Wissenschaftler zitiert gehört, die sie befragt haben: „Die Menschen, die uns Angst machen, haben selbst Angst!“ https://www.hspv.nrw.de/nachrichten/artikel/ausstellung-ueber-leben-im-risikoumfeld-koeln
Prof. Dr. Rau, der Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Wohnen im Rat der Stadt Köln, kam von einer Veranstaltung in der AIDS-Hilfe, wo Prof. Dr. Daniel Deimel über seine Studie im Umfeld des Neumarkts berichtete. https://katho-nrw.de/news/detailansicht/crack-konsument-innen-mit-spezifischem-unterstuetzungsbedarf-katho-legt-erste-studie-zur-offenen-drogenszene-im-umfeld-des-koelner-neumarkts-vor
U.a. habe die Befragung von 119 drogenkonsumierenden Personen am Neumarkt ergeben, dass die meisten erst drogenabhängig wurden, nach dem sie obdachlos geworden waren. Rund 32% der Befragten sind obdachlos und schlafen auf der Straße.
In seinen folgenden Ausführungen zu „Crack als Gamechanger“ hat der Sozialdezernent nicht berichtet, dass Prof. Dr. Daniel Deimel seit Jahren empfiehlt den Crack-Süchtigen Kokain zu geben, solange es keinen anderen Ersatzstoff gibt. Daniel Deimel war von 2000 bis 2011 als Sozialarbeiter und Suchttherapeut in unterschiedlichen Bereichen der Sucht- und Aidshilfe, insbesondere in der niedrigschwelligen Suchthilfe tätig, sodass Soforthilfe für ihn selbstverständlich ist, anders als für Harald Rau. (https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Deimel )
Die Überforderung der Polizei wurde anschließend thematisiert und milde kritisiert. Die massiven Vertreibungen von Suchtkranken durch die „Superstreife“ (Express) aus Polizei, KVB und Ordnungsamt helfen an einem Platz, aber nicht der ganzen Stadt, so Dr.Rau. Wie die Drogenkranken die Vertreibungen erleben hätte das Publikum erfahren können, wenn sie auf dem Podium eingeladen gewesen wären. Der damalige Polizeipräsident Roters: „Junkie-Jogging zu betreiben belastet viele Polizisten. „Die Gruppe der Schwerstabhängigen, teilweise psychisch labil, HIVinfiziert, von einer Ecke zur anderen zu vertreiben, ohne Lösungsmöglichkeiten, weil sie weder für Methadon-Programme noch für Langzeittherapien zu gewinnen sind, führt zu großen Gewissenskonflikten bei unseren Kollegen auf der Straße“, sagt der Kölner Polizeipräsident Roters.“
https://klausjuenschke.net/2017/11/28/20-vertane-jahre-in-der-drogenhilfe/
Im Unterschiede zum derzeitigen Polizeipräsidenten Johannes Hermanns, der sich die Verlagerung des Drogenkonsumraums vom Gesundheitsamt auf eine Fläche vor dem Polizeipräsidium in Kalk wünscht, hält Harald Rau an der Einrichtung eines Suchthilfezentrums in Neumarktnähe fest. In Zürich hat man vor 35 Jahren in der Stadtmitte Suchthilfezentren entwickelt, in denen der Mikrohandel mit illegalen Drogen geduldet wird, obwohl das nach Schweizer Gesetzen verboten ist. Dadurch wurde erreicht, dass die offene Drogenszene in der Stadt verschwand.
Obwohl Dr. Rau es befürwortet, auch in Köln Suchthilfezentren zu starten, die den Kleinhandel dulden, hat er es in der anschließenden Diskussion für unmöglich erklärt, die obdachlosen Suchtkranken in leerstehende Immobilien unterzubringen. Selbst Beschlagnahmen sei nicht möglich, da das Gerichte kassieren würden, wenn die Eigentümer klagen. Er behauptet das, während er die Unterbringung von 500 Geflüchteten, in die seit vier Jahren leerstehende Oberfinanzdirektion vorbereitet. Durch die mehrfachen symbolischen Besetzungen des Wohnhauses in der Friedrich-Engels-Straße 7 weiß er, dass dort seit Jahren 80 Wohnungen leer stehen. Konrad Adenauer, der damalige Vorsitzende von Haus und Grund, bescheinigte der Stadt Köln fehlenden Mumm, als er mit vor dem Haus stand, das der russischen Föderation gehört, um gegen den Leerstand zu protestieren. In der Karl-Rahner-Akademie ließ es sich Dr. Rau dennoch nicht nehmen „mehr Zivilcourage“ zu fordern.
Der Presse ist zu entnehmen, dass das neue Suchthilfezentrum auf einer Freifläche mit Containern aufgebaut werden soll. Wieso das Sozialdezernat nicht wenigstens Wohncontainer für die Obdachlosen bereitstellt, wie es immer wieder für Flüchtlinge möglich war, kann nur damit beantwortet werden, dass es in dieser Stadt politisch nicht gewollt ist. Herr Rau delegiert gerne Verantwortung: „Wir sind alle gefragt“ war an diesem Abend in der Karl-Rahner-Akademie mehrfach zu hören.
Als Dr. Rau von den Grünen vor zehn Jahren nach Köln geholt wurde, zählte die Polizei 48 Drogentote, 2023 waren es 97 und 88 im vergangen Jahr. In diesen Jahren sind die Zahl der Wohnungslosen und Obdachlosen gestiegen und die Zahl der geförderten Wohnungen ist gesunken.
Dr. Kai Hauprich vom Vringstreff. „Wir haben uns gesellschaftlich so daran gewöhnt, dass wir den Menschen beim Sterben zuschauen, dass wir das für normal halten. Das darf nicht sein. Ich finde, wir müssen schnellstmöglich jene versorgen, die am dringendsten unsere Hilfe brauchen.“
https://issuu.com/draussenseiter_koeln/docs/ds_238_-_web/s/20856279
Bevor er auf das von ihm als „KöKo“ vorgestellte „Kölner Konzept zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit“ zu sprechen kam, beglückte Dr. Rau die Anwesenden mit der Auskunft, dass Köln eine Schwarmstadt sei. Die Attraktivität für junge Leute, sei so groß, dass auch 50.000 neue Wohnungen in den kommenden Jahren an der Wohnungsnot nichts ändern würde, da immer mehr zuziehen würden, als neue Wohnungen dazukämen. Wie wir mit Wohnraum umgehen, müsste sich ändern. Flächen und Geld seien nur begrenzt vorhanden. Die vom Land jährlich zur Verfügung gestellten 180 Millionen Euro für geförderte Wohnungen reichten gerade mal für 6 – 800 neue Sozialwohnungen. Auf die Ankündigung von OB Burmester, jährlich 2.000 Sozialwohnungen bauen zu lassen, ist er nicht eingegangen. Gar nicht erwähnt wurde der Ratsbeschluss, die Obdachlosigkeit in der Stadt bis 2030 abzuschaffen.
Aus dem im vergangenen Jahr vom Rat beschlossenen Konzept zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit, stellt er drei Teile vor.
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=977963&type=do
Die soziale Wohnraumagentur soll Vermietern finanzielle Garantien für die Vermietung an Wohnungs- und Obdachlose geben.
Mit dem Konzept Housing First sind in Köln bisher 40 Obdachlose zu Mitverträgen gekommen. Die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft sei von diesem Konzept überzeugt. https://de.wikipedia.org/wiki/Aachener_Siedlungs-_und_Wohnungsgesellschaft
Bei seinem Lob für die GAG hat Dr. Rau nicht reflektiert, dass diese nur noch teilweise gemeinnützige Wohnungsgesellschaft immer weniger baut und mehr in die Renovierung ihrer Bestände investiert und längst auch an den Mietsteigerungen mitwirkt und mitverdient.
https://www.gag-koeln.de/
Er hat auch nicht vermittelt, dass nur noch 44% der 46000 GAG-Wohnungen gefördert sind.
https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/k%C3%B6lner-wohnungsmarkt-gag-stellt-330-wohnungen-fertig-doch-nur-52-sind-wirklich-neu-dazugekommen/ar-AA1MBcRg
Die „Arbeitsgemeinschaft Kölner Wohnungsunternehmen“, kurz Köln AG, hat im Stadtgebiet 100.000 Wohnungen. Darunter sind auch die GAG-Wohnungen.
https://koelnag.de/wir-ueber-uns
Dem gerade erschienen Bericht „Wohnen in Köln 2024“ ist zu entnehmen, dass der Bestand an Sozialwohnungen 2024 auf 37.818 gesunken ist. Köln hatte mal 105.000 Sozialwohnungen.
https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf56/gesch%C3%A4ftsbericht_wohnen_in_k%C3%B6ln_2024_barrierefrei.pdf
Auf das Lob der Sprecherinnen von SKF und SKM für das Kölner Konzept folgte ihre Kritik, weil das Geld dafür nicht da ist. Dr. Rau: „Uns geht gerade überall das Geld aus.“ 500 Millionen des 6 Milliarden-Haushalts der Stadt müssen jährlich für die Schuldentilgung gezahlt werden. Wie es zur Verschuldung der Stadt kam, war keine Thema. Dass man zuerst die Ursachen kennen muss, wenn man Probleme lösen will, spielte an diesem Abend keine Rolle. Aber auch bei der notwendigen Konsolidierung der Stadtfinanzen hieß es wieder da „sind wir alle gefragt“.
Haben „wir alle“ dafür gesorgt, dass für die Renovierung von Oper und Schauspiel fast 1 1/2 Milliarden Euro ausgeben wurden? Wurden „wir alle“ gefragt, als die Bundesregierung beschloss, dem Wunsch der US-Regierung folgend, 5% des Bruttosozialprodukts für die militärische Aufrüstung auszugeben?
Ohne jeden Bezug zur zunehmenden sozialen Ungleichheit und ihren Ursachen verkündete Dr. Rau, dass an andere Stelle gespart werden muss, wenn in Wohnen investiert wird.
Die Anwesenden erfuhren, dass der Sozialdezernent schon vor 2 Jahren ein Sparkonzept ausgearbeitet hatte, in dem alle freiwilligen Leistungen dahingehend überprüft werden sollten, ob die finanzierten Projekte und Initiativen wirksam oder nicht seien.
Die Zuschauer entließen Dr. Rau an diesem Abend ohne darüber abgestimmt zu haben, ob er als Sozialdezernent eher wirksam oder eher unwirksam ist.
21. November 2025
Klaus Jünschke