Nötig ist Druck von unten auf die Konzerne, die das Erdogan-Regime stabilisieren.
Heute Abend hat Deniz Yücel am Ende seiner Lesung im WDR hier in Köln, seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, die großen deutschen Konzerne könnten ein Machtwort gegen Erdogan sprechen. Gestern hatte er das so gepostet: „Die Bundesregierung sollte dem Beispiel Frankreichs folgen und den türkischen Botschafter einbestellen“, fordert Alexander Graf Lambsdorff in der WELT. Keine verkehrte Idee. Aber ich glaube, die Wirkung wäre eher überschaubar, Botschafter einzubestellen ist in der Türkei schließlich Volkssport. Besser: Die Bundesregierung redet ein paar Takte mit den Sportkameraden von Siemens, Volkswagen & Co.“
Ein frommer Wunsch, der völlig das Verständnis der Groko von „marktkonformer Demokratie“ ignoriert und die uralte Hoffnung am Leben hält, der Fürst sei wenigstens einmal ein guter Fürst.
Die Bundesregierung hat seit langem die Möglichkeit UN-Treaty beizutreten und damit die deutschen Unternehmen zu verpflichten, den Menschenrechten Vorrang vor Investitionsinteressen einzuräumen.
„Brot für die Welt“ erklärt leicht verständlich, warum es bei UN-Treaty geht:
„Der sogenannte UN-Treaty-Prozess wurde auf Initiative von Staaten des Globalen Südens ins Leben gerufen, allen voran Ecuador und Südafrika. Bislang gelten für Unternehmen nur die freiwilligen UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Deshalb können sich europäische Textilketten damit herausreden, keinen Einfluss auf die Bedingungen bei ihren Zulieferbetrieben zu haben. Wenn Näherinnen in asiatischen Textilfabriken zwölf Stunden am Tag für einen Hungerlohn schuften oder wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen bei Unfällen sterben, tun Auftraggeber wie Kik oder H&M so, als hätten sie damit nichts zu tun.
Klagen die Betroffenen dagegen, scheitern sie häufig
an den Unzulänglichkeiten der Justiz vor Ort und den rechtlichen Hürden
transnationaler Klagen. Die Rechte der Unternehmen hingegen sind durch Handels-
und Investitionsschutzabkommen gesichert. Sie können Staaten vor privaten
Schiedsgerichten verklagen, wenn neue Gesetze zum Arbeits- und
Menschenrechtsschutz ihre Gewinne schmälern.
Das sind Ausprägungen einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung, von der nur die
westlichen Industrienationen profitieren. Der Treaty-Prozess soll die
Ungerechtigkeiten der globalisierten Wirtschaft beenden. Die Unternehmen dürfen
ihre Profite nicht länger auf Kosten der Menschenrechte machen. Stattdessen
müssen die Vertragsstaaten sie per Gesetz zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten
und bei Verletzung den Betroffenen ermöglichen, ihre Rechte durchzusetzen.
Dafür setzen sich inzwischen mehr als 100 Staaten weltweit ein.
Die großen Industrienationen hingegen bleiben skeptisch. Deutschland stimmte gegen die Resolution, die den Treaty-Prozess startete, blieb den Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat zunächst fern und war bei der dritten Verhandlungsrunde im Oktober 2017 an vier von fünf Tagen nur durch eine Praktikantin vertreten.“
https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/dossier-wirtschaft-und-menschenrechte/un-treaty-prozess/ 14.10.2019