Die Caritas hat in der Woche vor Weihnachten 2017 die Broschüre „Arm in Köln“ vorgestellt, um „Verständnis dafür zu wecken, dass Bettler und Obdachlose zur urbanen Gesellschaft einer Großstadt wie Köln dazugehören.“
https://www.ksta.de/koeln/koeln-hilft-es-bettlern-auf-der-strasse-geld-zu-geben-166696
Adorno zu dieser Sorte Christentum, die mithilft Armut zu verwalten, statt ihre Ursachen zu bekämpfen: „Es war einer der großen, mit dem Dogma nicht unmittelbar identischen Impulse des Christentums, die alles durchdringende Kälte zu tilgen. Aber dieser Versuch scheiterte; wohl darum, weil er nicht an die gesellschaftliche Ordnung rührte, welche die Kälte produziert und reproduziert.“ (Theodor W. Adorno: Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt a.M. 1982, S. 102. In seinem am 18.4.1966 gesendeten Vortrag im Hessischen Rundfunk „Erziehung nach Auschwitz“)
Im wikipedia-Artikel „Obdachlosendiskriminierung“ steht:
„In Deutschland wurde mit dem Forschungsprojekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit die Abwertung von Obdachlosen jährlich gemessen. Abwertung von Obdachlosen meint hier die „Feindseligkeit gegenüber jenen Menschen, die den Vorstellungen von einem geregelten bürgerlichen Dasein nicht entsprechen.“
Zum Thema Abwertung der Obdachlosen sagten 2007 38,8 % der Befragten, dass ihnen Obdachlose in Städten unangenehm seien (2005: 38,9 %). Der Aussage, Obdachlose seien arbeitsscheu, stimmten 32,9 % zu (2005: 22,8 %). Der Forderung, bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden, schlossen sich 34 % der Befragten an (2005: 35 %). Insgesamt sei die Abwertung von Obdachlosen gegenüber 2005 gestiegen.
Wilhelm Heitmeyer mutmaßt, dass die zunehmende Abwertung von Obdachlosen mit einer Verschiebung der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft und damit einer Ökonomisierung des Sozialen zusammenhänge, der zur Folge Menschen stärker nach dem Kriterium der Nützlichkeit betrachtet werden, was wiederum zur Abwertung der als „nutzlos“ empfundenen Obdachlosen beitrage:
Ökonomistischen Bewertungskriterien können neben den Langzeitarbeitslosen weitere Gruppen zum Opfer fallen, die nur einen geringen oder gar keinen Beitrag zur Effizienzsteigerung der Marktgesellschaft beitragen. Letzteres gilt insbesondere für jene Personen, die in der Sozialhierarchie noch unter den Langzeitarbeitslosen stehen und deren Arbeitsmoral als noch geringer geschätzt wird: die Obdachlosen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Obdachlosendiskriminierung
Auch in der von Heitmeyer verklärten sozialen Marktwirtschaft lebte fort, was die Nazis Menschen antaten, die sie als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in die Konzentrationslager zwangen.
https://web.archive.org/web/20161122223521/http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/dzd/dokumentenverzeichnisse/materialien_5_gemeinschaftsfremde.pdf
An diese verleugneten Opfer des Nationalsozialismus erinnert bis 4. Januar 2026 eine Ausstellung im NS-Dok-Zentrum.
https://www.die-verleugneten.de/ausstellung/
Allerdings steht auch in dieser Erinnerungsarbeit Herrschafts- und Kapitalismuskritik nicht im Zentrum. Warum wohl hat Horkheimer erklärt, dass vom Faschismus schweigen soll, wer vom Kapitalismus nicht reden will?
https://klausjuenschke.net/2025/10/03/hilfloser-antifaschismus/
Blackrock-Kanzler Friedrich Merz Stadtbild-Äußerungen treffen auf eine Empörung, die nicht verstehen will, dass Rassismus eine Funktion von sozialer Ungleichheit ist.
Eva Berger in der taz: „Während wir uns mit immenser Energie und kritischem Herzblut auf allen Ebenen der Gesellschaft der Anerkennung und Förderung von wie auch immer gearteter Diversität und dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung widmen, ist davon ein Ungleichheitsverhältnis nahezu unberührt geblieben bzw. hat sich radikalisiert: die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer, die Verteilung des Reichtums ungerechter (die USA und Deutschland stechen hier laut OECD besonders hervor), die Ausbeutung insbesondere in den unteren Lohnsegmenten schärfer.“
https://taz.de/Buch-Der-Trubel-um-Diversitaet/!5807703/
25.10.2025
Klaus Jünschke