Wann öffnen Coffee-Shops in Köln?

Heute erscheint im Kölner Kriminal-Anzeiger ein Artikel „Die Dealer sind noch immer hier“ ohne einen Bezug zur staatlichen Drogenpolitik und den Protesten dagegen. Statt zu berichten, seit wann auch in der Polizei offen erklärt wurde, dass der von Nixon 1972 ausgerufene „war on drugs“ nicht zu gewinnen ist, wird von den ehrenamtlichen Polizeisprechern Raphael Markert und Tim Stinauer brav zitiert: „Mit dem aktuellen Personal kann man der Lage nicht Herr werden.“ Und obwohl seit Wochen „black lives matter“ zu einem Thema auf der ganzen Welt geworden ist, schreiben die Kölner Krimal-Journalisten über schwarze Dealer, ohne sie zu Wort kommen zu lassen.

Seit 2012 findet auch in Köln der Global Marijuana March statt
https://hanfverband.de/nachrichten/termine/koeln-global-marijuana-march-2019

2016 hat die Mehrheit im Bezirksparlament Köln-Innenstadt für die Zulassung von Coffee-shops in Köln gestimmt. Gegen die Stimmen von CDU und SPD
https://www.express.de/koeln/gruenen-vorschlag-ueber-coffeeshops-wird-koeln-ein-kiffer-paradies–die-wichtigsten-reaktionen-306748

Am 20. April 2020 fand das erste legale Smoke in Köln auf der Domplatte statt
http://info-csc.de/unsere-projekte/4-20-day

8. Juli 2020
Klaus Jünschke

Psychisch kranke Gefangene

Während das Strafvollzugsarchiv dabei ist, das von vielen Expertinnen und Experten unterzeichnete „Manifest zur Abschaffung von Strafanstalten und anderen Gefängnissen“ bekannt zu machen:  https://strafvollzugsarchiv.de/abolitionismus/manifest und der ehemalige Knastdirektor Thomas Galli ( https://www.thomas-galli.de/ )  mit seinen Büchern und einer kaum noch überschaubaren Zahl von Vorträgen und Interviews erfolgreich daran mitwirkt, bemühen sich die Grünen im Landtag von NRW die Situation der psychisch kranken Gefangenen zu verbessern.
Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von NRW
https://gruene-fraktion-nrw.de/parlament/parlamentarisches/detailparlament/nachricht/die-versorgung-psychisch-kranker-und-gestoerter-gefangener-verbessern.html

Unterstützt werden sie durch eine Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe BAG-S
https://bag-s.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahme_BAG-S_Versorgung_psychisch_kranker_Gefangener_verbessern.fin123.pdf

Die BAG-S zur Zahl der psychisch Kranken im Gefängnis: „Während der Anteil psychischer Erkrankungen in der deutschen Gesamtbevölkerung bei 27,2 Prozent (EU 27 Prozent) liege, würden je nach Forschungsdesign der Studien 40 bis 70 Prozent aller Strafgefangenen in Deutschland psychische Erkrankungen und Auffälligkeiten aufweisen.“

Die BAG-S charakterisiert mit deutlichen Worten die Zellengefängnisse: „Das Gefängnis ist kein Ort, in dem Menschen sich länger aufhalten können ohne Gefahr, dass sich ihr Leiden verschlechtert bzw. noch weitere hinzukommen. Menschen, die an einer psychischen Krankheit leiden, benötigen fachspezifische Hilfe und förderliche Lebensbedingungen (idealerweise heilende Umstände), um eventuell gesund werden zu können. Dies ist im Gefängnis, nach allem was wir wissen und in unseren Einrichtungen an Erfahrungen gesammelt haben, unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Denkbar scheint jedoch, dass die Ausbildung psychischer Erkrankungen im Gefängnis durch humanere Haftbedingungen eingedämmt werden könnte. So könnte ein Wohngruppenvollzug, der auf Förderung und Sicherung setzt, eine Alternative sein: Kleine, mit einem an die betreuungsintensive Klientel angepassten Personalschlüssel gut ausgestattete Anstalten, in denen der Einzelne individuell gefördert wird, das soziale Miteinander (auch das familiale) eingeübt werden kann und verlässliche Pfade in das Leben nach dem Freiheitsentzug gelegt werden.“

Dass psychisch Kranke nicht ins Gefängnis gehören, wird wenigstens für einen kleinen Teil von ihnen am Ende des auch von der BAG-S unterstützten Forderungskatalog der NRW-Grünen thematisiert:
„10.   Die Strafvollstreckungsordnung so zu ändern, dass bei psychisch kranken und gestörten Verurteilten mit kurzen Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit regelmäßig auf die Aufnahme in den Justizvollzug verzichtet wird.“

Ende der 90er Jahre hatte die JVA Köln mit Jörn Foegen einen Gefängnischef, der weiter war:
„Entscheidend ist, dass wir sagen, ein Drogenabhängiger ist krank. Dann frag ich mich, was soll der denn bei mir? Bin ich leitender Arzt oder bin ich Knastdirektor? Wenn die krank sind, dann muss ich ihnen das Medikament geben. Das ist im Moment die Droge. Ein Schweizer Versuch hat sogar gezeigt, dass es besser ist, gleich anständiges Heroin zu geben anstatt Methadon. Gäbe es das notwendige Suchtmittel unter ärztlicher Begleitung in anderer Form, dann hätten wir beides, den vernünftigen Umgang mit der Droge und das Infektions-problem gelöst.“ (Aus einem Interview mit Elisabeth Thelen und Ossi Helling im Dezember 1997 für „rathaus ratlos“ Nr. 105, 01/1998)

Wieso könnend die Grünen im Landtag und die BAG-S das nicht aufgreifen und gemeinsam mit dem Strafvollzugsarchiv und Thomas Galli die Abschaffung der Zellengefängnisse fordern?


Brot und Spiele

In Köln sind über 250.000 Kinder, Jugendlichen und Erwachsene arm. In dieser reichen Stadt wird wieder gehungert. In welchen Beiträgen und Diskussionen zum Rassismus kommt vor, dass zuallererst die Armut abgeschafft werden muss, damit Antisemitismus, Rassismus und Sexismus aufgelöst werden können?

Ohne Bezug zur Armut in der Stadt wird auch die Auseinandersetzung um den FC und seine Erweiterungspläne geführt. Im Stadt-Anzeiger kann heute gelesen werden: „Jetzt kann der Verein endlich weiter planen“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Joisten.

Wie kann es sein, dass junge Männer  in einer Stadt mit dieser Armut mit Ballspielen Millionäre werden können? Ohne dass das skandalisiert wird?

Vor ein paar Jahren gab es diese seltene Debatte um die Gehälter der Spieler.  Der deutsche Profi-Fußballer Sandro Wagner meinte, sie verdienen zu wenig.  Im Verhältnis zu Lionel Messi und Christiano Ronaldo stimmte das. Messi bekam damals beim FC Barcelona 8,3 Millionen Euro monatlich. Seine Werbeeinahmen nicht mitgerechnet. Der Mittelfeldspieler Juan Mata, der bei Manchester United schätzungsweise elf Millionen Euro pro Jahr verdiente, sagte dazu: „Die Welt des Profi-Fußballs als Maßstab verdiene ich ein normales Gehalt. Aber verglichen mit 99,9 Prozent der spanischen Gesellschaft und dem Rest der Welt ist es ein unanständiger Lohn.“
https://www.sport1.de/internationaler-fussball/premier-league/2016/04/gehaelter-im-fussball-juan-mata-widerspricht-sandro-wagner

Wenn das in der Auseinandersetzung um die Erweiterung im äußeren Grüngürtel kein Thema wird, sagt der Neoliberalismus zum grünen Umweltschutz: „ich bin schon da. Du darfst meine Tapete sein.“
https://www.ksta.de/koeln/geissbockheim-koelner-rat-stimmt-fuer-erweiterung-im-aeusseren-gruenguertel-36876750

20.06.2020

Obdachlos weil arm

Das ist der Titel einer Studie die 1973 von Ursula Christiansen veröffentlicht wurde. Sie endete auf Seite 192 mit den Worten: „das Andauern und Aufkommen von Armut verhindern.“

Auf Seite 173 war zu lesen: „Um Obdachlosigkeit dauerhaft zu beseitigen sind drei Arten von Maßnahmen, die sich auf die Lösung des Wohnproblems beziehen, gleichzeitig notwendig.

  • Die dezentralisierte Unterbringung aller gegenwärtig obdachlosen Familien in normalen Wohnungen.
  • Die Schaffung organisatorischer und soweit notwendig gesetzlicher Möglichkeiten, um das Zustandekommen von Obdachlosigkeit zu verhüten.
  • Die Bereitstellung von ausreichendem und angemessenem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten

Von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hat sie erwartet, dass sie sich mit den Armen solidarisieren und ihre politischen Kampf unterstützen: „Die Sozialarbeit könnte neue Legitimation dadurch erlangen, dass sie versucht, zur Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen, die zu Armut führen, beizutragen.“ (S. 186)

Sie wurde später Dezernentin für Soziales und als sie 2006 pensioniert wurde, folgten in diesem Amt nacheinander drei von den Grünen nach Köln geholte Personen: Frau Bredehorst, Frau Reker und Herr Rau.

Zu Beginn der Pandemie war allgemein bewusst, dass die Obdachlosen besonders gefährdet sind, und deshalb besonders unterstützt und gefördert werden müssen. Wie die aktuellen  Klagen über die Obdachlosen am Chlodwigplatz vermitteln, ist auch davon wenig geblieben.

https://www.ksta.de/koeln/innenstadt/koelner-suedstadt-wie-der-chlodwigplatz-zu-einem-hotspot-fuer-junkies-wurde-36795340
8. Juni 2020

Davongekommen?

Vor einem Jahr hat die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) mit obdachlosen Frauen leerstehende Häuser in der Ikarostraße besetzt. Verbunden war die Besetzung mit der Forderung an die Stadt Köln empfindliche Bußgelder wegen Leerstehenlassens gegen die Eigentümerin der Häuser, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) zu verhängen, die Wohnungen vorläufig zu beschlagnahmen und Obdachlose in sie einzuweisen.

Die besetzten Wohnungen wurden von der Polizei geräumt und gegen Rainer Kippe wurde Anzeige erstattet. Am 4. März 2020 kam es zum Prozess. In einer 32seitigen Dokumentation und Verteidigungsschrift hat die SSM erklärt: „Warum wir die Pflicht hatten, leerstehende Häuser in der Bergisch Gladbacher Str.1006 und in der Ikarosstr. 17, 27 und 29 zu besetzen, um notleidende obdachlose Frauen unterzubringen.“

Die Verteidigungsschrift kann auf der Homepage des Instituts für neue Arbeit gelesen werden:
http://ina-koeln.org/wohnungsnot/20200304_rk_-_verteidigungsschrift_web.pdf

Da die BIMA ihre Anzeige zurückgezogen hat, ist der Prozess jetzt eingestellt worden.

Rainer Kippe hat dazu erklärt:

„Erbärmlicher Rückzug der Strafjustiz, um der Sozialverwaltung der Stadt Köln das Gesicht zu retten. 
Ihre Beamte, die alte und kranke Frauen auf der Straße haben sitzen lassen, brauchen jetzt nicht auszusagen. 
Danke, Herr Staatsanwalt.
Dankeschön, Herr Amtsrichter. 
Die Verantwortlichen für das Elend der Obdachlosen kommen wieder einmal ungeschoren davon – bis zum nächsten Mal!
Ihr „Angeklagter“ und „Hausfriedensbrecher“
Rainer Kippe, SSM

5.6.2020